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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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er:
    »Ich wäre kein guter Familienvater, und ich halte es für verantwortungslos, eine Familie zu gründen, wenn ich mich meiner Frau nicht in genügendem Maße widmen kann. Außerdem möchte ich keine eigenen Kinder. Ich finde, die Nachkommen von Genies haben es meist sehr schwer in der Welt. Man erwartet von ihnen das gleiche Format wie das des berühmten Vorfahren und verzeiht ihnen den Durchschnitt nicht. Außerdem werden es meistens Kretins.«
    Andere Verwandte Hitlers waren bis zum Jahr 2010 nicht aufzutreiben. Selbst die Grabstätten seiner Eltern und seiner Schwester sind nicht auffindbar. Von seiner übrigen Familie hatte sich Hitler ganz aktiv entfernt. Er wollte auf keinen Fall mit irgendwelchen Familienangehörigen zu tun haben; selbst seine schizophrene Großcousine Aloisia Hitler rettete er nicht, als sie 1940 im Rahmen der Tötung »geistig behinderter« Menschen vergast wurde. Als DNA-Vergleichsquelle kämen daher einzig sein zunächst in England, später dann in den Vereinigten Staaten lebender Halbneffe William Patrick und dessen Nachkommen infrage.
    Allerdings konnte Hitler seinen Halbneffen nicht leiden. Der hatte nämlich versucht, sich einen Job oder, besser noch, Geld direkt beim Führer zu besorgen – andernfalls wolle er Familiengeheimnisseausplaudern. Damit verhob sich der britische Neffe natürlich gewaltig. Bald kehrte Patrick wieder in seine Heimat zurück. Mit dem kleinen Job, den Hitler ihm in der Tat verschafft hatte, war er nicht zufrieden. Die Leiche Patricks – und damit die DNA aus seinen Knochen – wäre bis heute verfügbar, da er erst 1987 starb. Das Grab auf Long Island lautet zwar auf den Namen »Stuart-Houston«, die wahre Identität der Leiche ist aber durch Recherchen der New York Times und der Süddeutschen Zeitung mittlerweile bekannt.
    Da Patrick Hitler/Stuart-Houston nach dem Krieg ein Labor für Blutuntersuchungen betrieb, könnte es sein, dass irgendwo noch eine Probe seines eigenen Blutes schlummert. Danach muss man aber seit Neuestem gar nicht mehr suchen. Denn im Jahr 2010 haben der Journalist Jean-Paul Mulders und der Historiker Marc Vermeeren neununddreißig entfernte Verwandte Hitlers aus Europa, den USA und Australien aufgetan. DNA-Proben lieferten diese Probanden allerdings nicht immer ganz freiwillig: So warf der Urenkel von Hitlers Vater Alois an einem Drive-in-Restaurant eine Serviette weg, die dann einfach als Spurenträger stibitzt wurde.

    Diese verwandtschaftlich etwas entferntere, durch Heiraten vermischte DNA ist trotzdem nützlich. Es gibt nämlich einen Teil der Erbsubstanz, der sich im Laufe der Generationen nicht ausdünnt und verändert, sondern auch in den Nachkommen immer gleich bleibt.
    Dieser unveränderliche Teil der Erbsubstanz liegt auf dem Y-Chromosom, das nur Männer in sich tragen: Das Y-Chromosom wird in der männlichen Linie unverändert weitergegeben. Es ist also egal, ob man DNA aus Hitlers mutmaßlichem Schädel mit der DNA seines Neffen, seines Großvaters oder seines – hier nicht vorhandenen – Kindes vergleicht. Sogar die DNA des Groß-Halb-Neffen würde genügen, solange die Väter aus derselben Erblinie stammen.
    Der Teufel steckt in einem ganz anderen Detail. Es fehlte jetzt nämlich an guter Original-DNA aus dem Schädel. Grund dafür war, dass niemand mit einem sterilen Bohrer unter guten, forensischen Laborbedingungen Knochenmehl aus dem Schädel gewonnen hatte. Das war das Einzige, was unser Bestechungsgeld nicht kaufen konnte  …  und ehrlich gesagt hatte ich – da damals noch die Vergleichs-DNA der Verwandten fehlte – auch keinen Bohrer eingepackt.
    Diese Nachlässigkeit wurde 2009 von meinem Kollegen Nick Bellantoni ausgebügelt. Er bohrte nicht, sondern besorgte sich eins der abbröckelnden Stückchen des angekokelten Schädels. Zudem machte er mit Wattetupfern Abriebe. »Mir war dabei von vorneherein klar«, berichtet er, »dass da etwas nicht stimmen kann. Der Schädel war verdächtig dünn. Schädelknochen von Männern sind in der Regel dicker. Außerdem sahen die Verwachsungen der Schädelnähte eher aus, als ob sie von einem Menschen unter vierzig Jahren stammen.«
    Die Knochenproben brachte er der Genetikerin Linda Strausbaugh, die ihr Labor in Connecticut daraufhin erst einmal für drei Tage dichtmachte. »Wir haben das ganz gründlich gemacht«, berichtet sie, »mit Kontrollen und allem Drum und Dran, wie in einem forensischen Labor.« Ergebnis: Die DNA stammte »unanfechtbar« von einer Frau.
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