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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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später, dass Stalin auf diesen Anruf geantwortet habe: »Hat der Lump ausgespielt! Schade, dass wir ihn nicht lebend erwischt haben.«
    Das sowjetische Propagandachaos wurde also immer größer und lächerlicher. Dennoch widersprach niemand aus der Sowjetunion der Darstellung, dass Hitler angeblich geflohen sei. Stalin war bekannt dafür, Menschen anderer Meinung rasch ermorden zu lassen – Hunderttausende solcher Auftragsmorde sind bekannt.
    Kein Wunder, dass sogar das erste Buch über Hitlers Tod aus der Sowjetunion nur unter der Bedingung erscheinen durfte, dass ausdrücklich auf einen Bittermandelgeruch und Glassplitter von einer Giftampulle zwischen Hitlers Zähnen hingewiesen wurde. Diese Darstellung folgte dem damals unveröffentlichten Sektionsbericht vom 8. Mai 1945 aus dem Leichenschauhaus der Kliniken in Berlin-Buch. Darin hatte Rechtsmediziner Faust Schkarawski (den schicken Vornamen erhielt er, weil sein Vater Goethe-Liebhaber war) zusammen mit dem Chefanatom der Roten Armee, N. A. Krajewski, festgestellt:
    »Das Vorhandensein der Überreste einer zerdrückten Glasampulle in der Mundhöhle (…) der ausgeprägte Bittermandelgeruch (…) und die gerichtschemische Untersuchung der inneren Organe, wobei Zyanverbindungen festgestellt wurden, (…) gestatten der Kommission, den Schluss zu ziehen, daß der Tod in diesem Fall durch Vergiftung mit Zyanverbindungen verursacht wurde.«
    Autor des Buches, in dem der Obduktionsbericht dann 1968erstmals erschien, war Lew Bezymenskij. Er bezog sich wegen der vom KGB vorgegebenen Linie nur auf die Giftpassage des Sektionsberichtes, nicht aber auf eine mögliche Ausschussöffnung im Schädel. Als ich im Jahr 2001 mit ihm sprach, regte ihn die ganze Sache noch so auf, dass er fast ohnmächtig wurde und wir das Interview unterbrechen mussten. Im Jahr 2007 starb er. Er lebte zuletzt in einer mit Büchern randvoll gestellten Wohnung in einem überheizten Moskauer Wohnblock. Die Heizungstemperatur war nur zu regeln, indem man die Fenster öffnete oder schloss. Es war eine unwirkliche Welt.
    Ob die Glassplitter tatsächlich im Mund von Hitlers Leiche lagen oder nicht, wollte Bezymenskij selbst am Ende seines Lebens nicht endgültig entscheiden. Er hielt die Geschichte mit der Giftampulle aber für eher korrekt und erzählte mir, dass der Kopfschuss seiner Meinung nach aus politischen Gründen unter den Tisch fallen musste. Diese Aussage – dass Hitler durch einen Schuss starb – deckt sich nicht nur mit den Berichten aller Zeugen aus dem Führerbunker, sondern vor allem auch mit der Schilderung Johann Rattenhubers, dem Leiter des »Kommandos zum Schutz des Führers«. Er berichtete allerdings seltsamerweise, dass Hitler sich nicht selbst erschossen habe, sondern dies seinen persönlichen Adjutanten bzw. Diener Otto Günsche habe erledigen lassen. Ich bin mir da nicht so sicher, denn die Schussrichtung, eher von unten als von der Seite, ist für eine Erschießung durch andere sehr ungewöhnlich.
    Aber Bezymenskij hatte dieselbe Erfahrung gemacht wie ich: Wo Agenten ihre Finger im Spiel haben, wird das Forschen schwierig – nur war es in seinem Fall auch lebensgefährlich. Er hielt sich in seinem Buch an das, was ihm vorgelegt und angeraten wurde.
    Für mich ergab sich aus der Zusammenfassung aller Gespräche, Akten und Erinnerungen, dass Hitler sich vergiftet und erschossen hat. Solch ein merkwürdiger Doppel-Freitod ist technisch problemlos möglich, weil Zyankali erst nach einer halben Minute oder – je nach Menge – auch noch später zum Tod führt. So bleibt genug Zeit, um noch eine Pistole abzudrücken.
    Eigentlich konnten sich die Hitlers sicher sein, dass das Gift wirken würde, denn sie hatten kurz vorher die Wirkung an Hitlers geliebter Schäferhündin Blondi und ihrem Sohn Wolf ausprobiert. Die beiden Tiere starben am Gift. Doch wer konnte schon wissen, ob bei Hitlers Kapsel nicht ein Herstellungsfehler aufgetreten war? Oder ob das Gift bei einem schwereren Körper als dem eines Hundes genauso schnell wirkte? So fiel wohl der Entschluss, dass nur Gift plus einem Schuss – der alleine mit viel Pech ebenfalls nicht hundertprozentig zum Tod führen musste – den gewünschten sicheren und schnellen Tod bewirken würden. Die Rechnung ging auf und Hitler starb.
Archivwechsel
    Während wir das Schädelstück also mithilfe der Abteilungsleiterin herauskramten, fragte ich mich, ob irgendjemand mit schwindender Macht Stalins ein Informationsleck schaffen wollte.
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