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Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)

Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)

Titel: Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
Autoren: Jeri Smith-Ready
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hätte. Schattenmutationen waren zwar relativ selten – vor allem bei »frischen« Geistern wie Hazel –, aber ich hatte lieber kein Risiko eingehen wollen.
    Obwohl die Sonne erst in einer Stunde untergehen würde, waren in den dämmrigen Schatten, die dicht belaubte Bäume entlang der Straße warfen, bereits Geister sichtbar. Ein paar von ihnen lungerten vor der Kindertagesstättegegenüber des Parkplatzes herum. Die Little Creatures Kiddie Care verfügte wie die meisten Gebäude in Roland Park über einen Obsidian-Komplettblocker, was bedeutet, dass sämtliche Außenwände mit einer dünnen Schicht aus elektrisch geladenem Obsidian verkleidet waren. Mit dieser Methode wurden Geister auch aus anderen Räumen oder Örtlichkeiten gebannt, in denen sie unerwünscht waren, Toiletten und Waschräumen zum Beispiel oder militärischen Anlagen. Ich hätte auch gern in einem komplett versiegelten Haus gewohnt.
    Bevor ich weiter Richtung Speedway fuhr, hielt ich vor einem Imbiss und besorgte mir noch schnell einen großen Coke-Slush. Kaum hatte ich durch den Strohhalm den ersten Schluck genommen, ließ das höllisch kalte zerstoßene Eis mir sofort die Stirn pochen. Normalerweise löffelte ich meine Coke-Slushs langsam und genüsslich aus, aber nach der Begegnung mit Hazel benötigte ich dringend die konzentrierte Dosis Zucker und Koffein, die nur in der am Boden des Bechers schwimmenden Sirup-Mischung enthalten war.
    Die langen Schatten der Bäume tauchten die Allee in ein dämmeriges Halbdunkel, und ich hielt meinen Blick starr auf die Fahrbahnmitte gerichtet, um die auf dem Gehsteig herumirrenden Geister auszublenden.
    Besonders viel brachte es mir nicht. An der letzten Kreuzung vor der Schnellstraße winkte ein kleiner violetter Junge vom Rücksitz des vor mir fahrenden Wagens und rief mir irgendetwas zu, das ich durch die Scheiben nicht verstehen konnte. Neben ihm saß ein älteres Mädchen, das sich die Ohren zuhielt und so heftig den Kopf schüttelte, dass ihr blonder Pferdeschwanz hin- und herpeitschte. Die Eltern unterhielten sich vorne scheinbar ungerührt weiter – entweder, weil sie tatsächlich nicht mitbekamen, was auf dem Rücksitz passierte, oder weil sie wie viele Erwachsene nicht wussten, wie sie darauf reagieren sollten. Das Beste wäre, sie würden sich ein neues Auto kaufen, dachte ich mitfühlend, solange die Kleine noch keinen bleibenden Schaden davongetragen hat.
    Als ich in die Auffahrt zur Schnellstraße bog und einen Moment später im goldenen Licht der Nachmittagssonne weiterfuhr, seufzte ich erleichtert auf.
    Nachdem ich mir nun schon seit fast siebzehn Jahren ständig Erzählungen von grauenhaften Morden und entsetzlichen Unfällen anhören musste, sollte man meinen, dass mich das abgehärtet hätte. Dass mich die Geschichten der Geister irgendwann nur noch genervt hätten, statt mich traurig zu machen.
    Und genau so war es auch. Meistens jedenfalls. Als ich fünf wurde, hörte ich auf, zu weinen und Albträume zu haben, und ließ nicht mehr die ganze Nacht meine Nachttischlampe brennen, um ihre Gesichter nicht sehen zu müssen. Ich redete auch nicht mehr ständig über das, was ich sah und hörte, weil man uns mittlerweile glaubte. Fünfhundert Millionen Kleinkinder konnten schließlich nicht alle lügen.
    Aber ich hatte niemals aufgehört, mich zu erinnern. Die Geschichten der Geister waren in meinem Gehirn gespeichert wie auf einer Festplatte. Wahrscheinlich lag das auch daran, dass ich so viele von ihnen bei Gericht im Zeugenstand hatte wiedergeben müssen.
    Da Geister nicht fähig waren zu lügen, eigneten sie sich perfekt als Zeugen. Allerdings galt die Aussage eines Geists nur dann als rechtskräftig, wenn zwei Post-Shift-Geborene sie unabhängig voneinander bestätigten. Im Jahr zuvor hatte ich zusammen mit einer verschüchterten Neuntklässlerin für die Opfer eines psychopathischen Serienmörders gedolmetscht (ich sage nur: Tomcat – der Killer, der gern mit seinem »Essen« spielte. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere ja daran).
    Tja, willkommen in meinem Leben. Und das ist noch lange nicht alles.
    Es war schon zwanzig vor fünf, als ich endlich vor dem Haus der Keeleys in Hunt Valley parkte, wo noch vor ein paar Jahren nichts als Weideland gewesen war. Für mich war es immer die reinste Erholung dort, weil sich in den Neubausiedlungen viel weniger Geister herumtrieben als in der Stadt. Bei Logan zu Hause war mir jedenfalls noch keiner über den Weg gelaufen.
    Bevor ich
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