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Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)

Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)

Titel: Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
Autoren: Jeri Smith-Ready
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meine, die immer noch den Griff der Krücke umklammerte. »Mir ist aufgefallen, dass in der Schachtel nur fünf rote Rosen liegen, nicht sechs.«
    Ich strich mit dem Daumen über seine Hand. »Eine habe ich behalten. Als Erinnerung.« Sie stand getrocknet in einer schlanken Vase auf dem Esstisch.
    »Als Erinnerung an das, was war?« Zachary sah mir tief in die Augen. »Oder an das, was sein wird?«
    Ich spürte, wie mir heiß wurde, und zog meine Hand unter seiner weg. »Beides.«
    Plötzlich schaltete sich der Trockner ab, und es ertönte ein heller Signalton, der mich so zusammenzucken ließ, dass ich fast das Gleichgewicht verloren hätte. Zachary hielt mich an den Armen fest und wir standen uns schweigend gegenüber, während im Raum nur noch das leise Surren der Waschmaschine zu hören war.
    Ich lachte nervös. »Tja, ich schätze, unsere Zeit ist abgelaufen.«
    »Sieht ganz so aus.« Zachary ließ mich los und ging zur Tür, um sie mir aufzuhalten. »Fürs Erste jedenfalls.«
    Während ich wartete, wurden die Tage zu Wochen und die Wochen zu Monaten. Ich spielte alle Songs, die Logan liebte. Ein Album nach dem anderen, Dutzende von Playlists, die er im Laufe der Jahre für mich zusammengestellt hatte, bis zurück zu einer Mix- CD , die er mir mit dreizehn gebrannt und Songs to Skate Your Ass Off (To) genannt hatte. Ich versuchte es sogar mit Directions to See a Ghost von den Black Angels, weil ich hoffte, er würde das vielleicht witzig finden (außerdem hatte ich irgendwo im Netz gelesen, der Song Never/Ever würde geisterfreundliche Frequenzen ausstrahlen).
    Ich flehte ihn an, sich zu zeigen. Ich bettelte. Ich drohte. Ich weinte.
    Niemand sah ihn. Weder als Geist noch als Schatten. Die Keeleys nutzten die Entschädigung in Millionenhöhe, die Warrant Records ihnen zahlte, um sich ein neues, voll versiegeltes Haus in derselben Gegend zu kaufen. Es hätte keinen Sinn gehabt, von dort wegzuziehen, weil Logan sich als Schatten ohnehin ungehindert überallhin bewegen konnte.
    Im Januar standen die Halbjahresprüfungen an und ich musste mir in der Schule jede Menge gehässige Sprüche anhören – ich überlebte beides. Der Februar überzog die Straßen, Büsche und Bäume mit einer glitzernden Eisschicht, die tagsüber antaute, nachts wieder gefror und dabei Schicht um Schicht dicker wurde. Ich wartete weiter.
    Als mit dem Frühlingsanbruch im März das silberne Winterwunderland zu grauem Schneematsch zusammenschmolz, stellte ich eines Abends fest, dass mein Vorrat an Musik aufgebraucht war. Ich hatte alle Stücke durchgespielt.
    In meinem Zimmer herrschte ungewohnte Stille, als ich mich ans offene Fenster stellte und den Autos zusah, die durch die Pfützen rauschten.
    Schließlich hielt ich das Warten nicht mehr aus.
    »Logan, wo bist du?« Ich verdrängte jede Spur von Angst, Wut und Selbstmitleid aus meiner Stimme. »Ich weiß genau, dass du so, wie du jetzt bist, nicht sein willst. Ich weiß, dass du zurückkommen willst. Also bitte, tu es. Komm zurück!« Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke, der meine Finger eiskalt werden ließ, obwohl es ein milder Abend war. »Oder bist du womöglich glücklich so? Möchtest du ein … ein Schatten bleiben?« Meine Stimme brach. »Wenn ich dich aufgeben soll, dann sag es mir einfach. Gib mir ein Zeichen.«
    Ich schloss die Augen, ohne mit einer Antwort zu rechnen.
    Der Schrei kam wie aus weiter Ferne, erst leise, dann immer lauter, als hätte jemand auf einer Party die Anlage aufgedreht. Dann schoss ein schwarz flatternder Windstoß direkt durch mich hindurch ins Zimmer. Ich sackte zu Boden und begann am ganzen Körper zu zittern, während mein Magen sich krampfhaft zusammenzog.
    » AURA !!« Logans Stimme klang so schrill wie bei einer Rückkoppelung im Mikrofon während des Soundchecks. » ICH HABE DIR GESAGT, DASS DU NICHT AUF MICH WARTEN SOLLST !!«
    »Ich höre aber … nicht … auf Schatten.«
    Logan schrie etwas, das ich nicht verstand. Der Boden unter mir schien Wellen zu schlagen, der ganze Raum schwankte. Ich krallte mich am Teppich fest, rang nach Luft und wehrte mich dagegen, das Bewusstsein zu verlieren.
    Mit letzter Kraft beschwor ich vor meinem geistigen Auge das Foto von Logan auf Agent Falks Tablet- PC herauf – den in die Unendlichkeit gerichteten Blick seiner meerblauen Augen, seine dem jubelnden Publikum entgegengereckten Hände, sein Gesicht, das so voller Neugier und Vorfreude auf die Zukunft gewesen war.
    Das jaulende Gewimmer des Schattens
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