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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Schulter hoch und legte den Kopf zur Seite. » Also, wenn Sie mich das so fragen: Was heute abend unter dieser sogenannten Leitung von Maestro Herzog dargeboten werden soll, hat mit wirklicher Musik wenig zu tun. Für mich war Herr Herzog schon immer ein Dirigent, der es darauf abgesehen hatte, nicht die Musik, sondern sich selbst in Szene zu setzen. Vor dem, was uns heute abend vermutlich erwartet, muß alle Musik verstummen und in völlige Bedeutungslosigkeit versinken. Ich bin sehr skeptisch…«, die Klingel ertönt zum dritten Mal, und die Saaldiener schickten sich an, die Flügeltüren zu schließen, » …aber ich lasse mich gerne überraschen!« Damit schlüpfte er als einer der letzten in den Saal.
    Das Publikum hatte gespannt die Plätze eingenommen. Der Geräuschpegel schwoll an. Als die Philharmoniker endlich das Podium betraten, wurden sie mit Beifall empfangen. Stühle und Pulte, in einem amphitheatralen Halbrund um einen Glaskörper postiert, wurden gerückt, Frackschöße zurückgeworfen und glattgestrichen, Instrumente eingestimmt. Anarchische Klänge und Motivfetzen schwirrten durch den Saal.
    Der Konzertmeister stand auf. Aus der hinteren Orchesterreihe ertönte daraufhin der langgezogene Kammerton einer Oboe. Der Ton wurde von den Bässen, Celli und Bratschen aufgenommen und nach vorn zu den ersten und zweiten Violinen getragen, wanderte daraufhin durch alle Instrumente, die, wenn sie vom Vorgegebenen abwichen, auf ihn eingestimmt wurden.
    Stille kehrte ein, während das Licht der Kronleuchter erlosch, ein paar letzte Hüstler noch, und es wurde dunkel. Nur an den Notenpulten glimmten kleine Lämpchen und überzogen die Instrumente und die Gesichter der Musiker mit einem goldenen Schimmer. Alles wartete jetzt nur noch auf das Erscheinen des Dirigenten.
    Nadeldünne Blue-Ray-Strahlen aus mehr als zwei Dutzend computergesteuerten Laserprojektoren rundum auf den Emporen brachten das Plasma in dem mannshohen mehrflächigen Glaskörper zum Leuchten. Nach und nach baute sich ein Hologramm mit bipolarer Parallaxe auf, und eine dreidimensionale Figur erschien, ein bläulich schimmernder Astralleib, der Kontur annahm, bis sich das holographische Abbild des Maestros im schwarzen Frack manifestiert hatte.
    Keiner wagte zu applaudieren, aus Angst, die ätherische Gestalt zu verscheuchen. Die Spannung im Saal entlud sich statt dessen in einem fast lautlosen Aufstöhnen, als Karl Amadeus Herzog nach einer knappen Verbeugung sich sogleich seinem Orchester zuwandte.
    Er stand mit dem Rücken zum Saal, die Füße ein wenig auswärtsgekehrt. Der Rumpf war leicht vorgebeugt, die Arme hatte er angewinkelt und die Hände zu Fäusten geballt. Zwischen Daumen und Zeigefinger seiner Rechten pulste die Spitze des Taktstocks im Rhythmus seines Herzschlags. Er nickte, als wollte er sich noch einmal seiner selbst vergewissern, während die Finger der Linken sich langsam zu einer segnenden Geste öffneten. Dann reckte er sich und hob den rechten Arm zum Auftakt. Es folgte eine knappe Abwärtsbewegung, und feierlich langsam, wie ein mächtiges Atmen, setzten die Celli und Bratschen zum Adagio der Achten Symphonie von Anton Bruckner ein.
    Von seiner Linken beflügelt, traten Violinen hinzu, verschmolzen mit den warmen Tönen der Klarinetten und Fagotte zu einem breit dahinfließenden Strom an- und abschwellender Klangwellen, in die er, um den trägen Musikfluß aufzuwühlen, mit herrischen Gesten schmetternde Hörner und Posaunen fahren ließ. Mit beschwichtigenden und abwiegelnden Zeichen versuchte er sogleich wieder den entfesselten Tumult zu bändigen, und die Musik fand zurück zu ihrer anfänglichen strömenden Ruhe.
    Der Taktstock in seiner Rechten bestimmte Rhythmus, Tempo und Zeitmaß, während die Linke mit hochakrobatischer Gebärde die innere Spannung und komplexe Dynamik der Komposition anschaulich machte. Bei dem Harfenarpeggio, das sich mit strahlendem Glanz über die Streicher wölbte, schien er fast über sich hinauszuwachsen– einem pantomimisch begabten Musikdarsteller gleich, der seinen ganzen Körper einsetzt, um den inneren Aufbau der monumentalen Komposition noch anschaulicher zu machen. Weit ausholend schichtete er die rhythmisch gesetzten Bläserakkorde zu majestätischen Blöcken, um sie mit harten Schlägen zu zertrümmern und neue Räume zu schaffen für den weihevollen Klang des Kommenden.
    Wie ehedem bestimmte sein Metrum das Maß der Zeit, schied ihr kontinuierliches Fließen in ein Davor und
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