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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes
Autoren: Brigitte Riebe
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überzeugt, dass es Numi gewesen ist. Nur deshalb bin ich überhaupt zu Senmut gegangen und hab ihm gesagt …«
    »Du hast was getan?« Ameni schaute seinen Vater an, als wolle er ihm im nächsten Augenblick den Hals umdrehen.
    »Ja, ich hab es getan«, sagte Rahotep. »Auch wenn es mir jetzt leid tut. Aber Numi hat mich ruiniert, hat mir jeden guten Auftrag vor der Nase weggeschnappt, und ich dachte, so könnte ich ihn endlich außer Gefecht setzen.«
    »Jetzt schwebt mein Vater in Todesgefahr«, sagte Asha leise. »Ist es das, was du wolltest?«
    »Nein, natürlich nicht …« Er sprang auf, raufte sich die spärlichen Haare. »Was sollen wir denn nun tun?«
    »Wir bringen Huy zu Senmut«, sagte Mina. »Vor ihm soll er wiederholen, was er uns bekannt hat. Dann muss der Oberste Priester Numi freilassen.«
    »Aber ihr könnt ihn doch nicht dorthin tragen!«, wandte Iset ein. »Nicht in diesem Zustand!«
    »Wir müssen«, sagte Mina. »Uns bleibt keine andere Wahl. Ameni und Rahotep - das ist eure Aufgabe!«
    »Warte!«, sagte Rahotep. »Noch einen Augenblick. Numi muss gleich danach zum Satrapen gehen und ihm von den Feuern berichten. Ihm wird Aryandes glauben - als Einzigem von uns allen.«
    »Worauf warten wir dann noch?«, sagte Mina.

    Es blieb ihnen nur Zeit für einen einzigen Kuss, für eine kurze, innige Umarmung. Als Senmut Numi in den Tempelhof bringen ließ, unrasiert und übernächtigt, hatte Mina für einen Augenblick befürchtet, ihr Herzschlag würde aussetzen. Dann aber spürte sie seine Lippen auf ihrem Mund, seine Arme, die sie so fest hielten, als wollten sie sie niemals wieder loslassen.
    »Beeilt euch!«, sagte sie mit nassen Augen. »Und gebe die Große Göttin, dass Aryandes euch so schnell wie möglich vorlässt!«
    »Das wird er«, sagte Numi. »Das muss er!«
    Die beiden Männer eilten davon, während Huy von zwei jungen Priestern weggebracht wurde. Sein Schicksal war mehr als ungewiss. Er war der Mörder der Weißen und hatte sich damit eines schweren Verbrechens schuldig gemacht. Anderseits hatten zwei ranghohe Priester des Tempels ihn benutzt und dazu angeleitet. Seine größte Chance war das Geständnis, das er abgelegt hatte. Vielleicht konnte ja das Schlimmste gerade noch verhindert werden.
    »Lauft nach Hause zu Asha!«, sagte Mina zu Ameni und Rahotep. »Damit sie schnellstens erfährt, dass ihr Vater wieder frei ist.« Es war schwierig genug gewesen, das junge Mädchen am Mitkommen zu hindern, aber schließlich war sie einverstanden gewesen, bei Iset zu warten. »Bei der Gelegenheit könnt ihr gleich mit eurer Aussprache beginnen.«
    »Und du?«, sagte Ameni unschlüssig. »Willst du uns nicht lieber begleiten? Diese Frauenhorden werden immer wilder …«
    »Vor ihnen fürchte ich mich nicht. Wir sind alle Töchter der Bastet«, sagte Mina - und stutzte.
    »Mina! Mina, hörst du mich nicht?«
    »Doch ich höre dich!«
    Dort drüben war Scheri, Scheri, die sich wild um sich schlagend einen Weg zu ihnen bahnte.
    »Ich hab sie gesehen!«, rief sie. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, ihr Kleid war schmutzig und verrutscht, doch das schien sie nicht zu kümmern. »Den Dung, das Stroh, die Scheite. Ich weiß jetzt, wo sie es tun werden - auf dem Viehmarkt. Kommt!«
    Es war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, sich gegen den Strom aus dem Tempel zu bewegen. Immer noch zog das Heiligtum der Bastet die Frauen von nah und fern fast magisch an. Doch auch draußen war es kaum besser. Die ganze Stadt schien sich in einen summenden, tanzenden, vibrierenden Jahrmarkt verwandelt zu haben, bei dem alle herkömmlichen Regeln außer Kraft gesetzt waren. Manche Frauen hatten sich bis zur Taille entblößt und die Brüste mit Ocker oder Ruß gefärbt; andere hielten ein Sistrum in der Hand und bewegten sich anmutig zu seinen Klängen. Es roch nach Schweiß, nach gebratenem Fleisch, nach Räucherwerk. Die meisten Männer schienen sich in den Häusern verschanzt zu haben; es gab nur wenige, die Ameni, Rahoteop, Scheri und Mina auf ihrem mühsamen Weg durch das Gewühl festlich gestimmter Frauen entgegenkamen.
    Der Viehmarkt lag im Finstern, als sie ihn endlich erreicht hatten. Es dauerte, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
    »Da!« Mina wies auf drei große Scheiterhaufen, die man mitten auf dem Platz errichtet hatte.
    »Sie wollen es wirklich tun.« Amenis Stimme klang gepresst. »Und zwar hier. Ich bin froh, dass Asha nicht mit ansehen muss, wozu Menschen aus Kemet fähig
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