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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
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ergänzte der Dienststellenleiter. Was er unterschlug, war die Tatsache, dass er vom Ministerium vor allem aus zwei Gründen nicht mit der Leitung der Bewachung der Scheichsfamilie beauftragt worden war: Zum einen, weil er kein Englisch sprach, zum anderen aber, weil der Direktor des Luxushotels, in dem der Emir absteigen würde, angeregt hatte, anstatt des bärbeißigen Inspektionsleiters »diese hellwache junge Polizistin« mit der Aufgabe zu betrauen. Dies fanden Sepp Kastner und Anne Loop aber erst heraus, als sie mit einer Kopie des ministeriellen Schreibens in ihrem eigenen Dienstzimmer saßen.
    »So ein Scheich«, meinte Nonnenmacher während der Mittagspause zu Sepp Kastner, als Anne gerade gegangen war, um sich einen Kaffee zu holen, »so ein Scheich ist schon ein rechter Sauhund.«
    Die beiden Polizisten saßen im Freisitz hinter der Inspektion und genossen bei bayerisch-blauem Himmel die Frühlingssonne. Sepp Kastner, den Mund noch voll von der Leberkässemmel, in die er soeben gebissen hatte, nuschelte: »Warum?«
    »Wegen der Vielweiberei«, erläuterte der Dienststellenleiter. »So ein Scheich hat nicht nur eine Frau, sondern gleich fünf oder zehn.« Nonnenmacher lehnte sich nach vorn, sodass die Bank, auf der er saß, verdächtig knarzte. »Das tät’ uns doch auch gefallen, oder?«
    »Schon, schon«, stimmte Kastner zu, dachte sich aber insgeheim, dass ihm eine einzige Frau eigentlich schon reichen würde. Die Anne Loop zum Beispiel. Aber irgendwie war er, was dieses Thema anging, in den vergangenen Monaten nicht so recht vorangekommen. Unverdrossen hielt sie an diesem ja offensichtlich geisteskranken Freund fest. Ob es daran lag, dass dieser komische Bernhard ein Adliger war? Eine Doktorarbeit schrieb er auch. Aber das war ja seit dem Skandal mit dem Bundesminister, der seine Doktorarbeit getunt hatte, wohl nichts mehr, womit man eine Frau beeindrucken konnte. Womit konnte man heute eigentlich Frauen beeindrucken? Ein cooles Auto mit breiten »Schlappen« genügte offensichtlich nicht mehr. War es ein enthaarter Körper oder ein Handy, das sprechen, vielleicht sogar jodeln konnte? Ein Haus mit Garten oder eine Wohnung ohne Wände in Berlin? Wie überhaupt musste der Mann von heute sein – hart oder weich? Dominant oder zärtlich oder alles auf einmal?
    Nonnenmacher riss ihn aus seinen Gedanken. »Wenn ich mir das ausmale: Ich komme nach Hause. Meine Helga steht in der Küche und macht mir einen Wurschtsalat. Derweil gehe ich ins Wohnzimmer, da sitzt so eine fesche Erscheinung wie die Gitti vom Kiosk – jetzt bloß als Beispiel – und hilft mir aus der Uniform.«
    »Die Gitti vom Kiosk?«, fragte Kastner und schaute seinen Chef mit gerunzelter Stirn an.
    »Jetzt bloß als Beispiel!«, antwortete Nonnenmacher und träumte weiter: »Und die hätte dann praktisch nix an, außer einem Tanga.«
    »Außer einem Tanga«, wiederholte Kastner ungläubig.
    »Und die tät’ mich dann aufs Sofa legen und sich in ihrem Tanga auf mich draufsetzen und mir eine arabische Massage machen.«
    »Tanga, arabische Massage und ein Wurstsalat«, sagte Kastner und versuchte aus reiner Kollegialität den Traum seines Chefs nachzuvollziehen, was ihm nicht hundertprozentig gelingen wollte, weil erstens die Vorstellung von der verhältnismäßig voluminösen Gitti vom Kiosk in einem Tanga seine Phantasie nur bedingt anregte und er zudem Nonnenmachers Regalwand aus dunklem Furnierholz, in der neben Polizeiwappen und alten Polizeikopfbedeckungen auch die Schlumpfsammlung von Nonnenmachers Frau Helga stand, nicht aus dem Bild bekam.
    »Und während die Gitti mich massiert, also arabisch, bringt die Helga den Wurschtsalat herein und eine andere schöne Frau – sagen mir einmal die Dings von der Metzgerei …«
    »Welche Dings?«, unterbrach ihn Kastner, der diese ganze Phantasie allmählich etwas blöd fand.
    »Ach die Dings halt, die Blonde, die wo als Aushilfe in der Metzgerei jobbt, weißt’ schon.«
    »Ach die Dings, die wo so dunkelhellblond ist!«, erwiderte Kastner diplomatisch, obwohl er keine Ahnung hatte, wen der Dienststellenleiter meinte.
    »Ja genau die!«, freute sich dieser. »Die, ich glaub’, Antje heißt die, die käm’ aus dem Keller mit einem eisgekühlten Hellen.«
    »Auch im Tanga?«, fragte Kastner, jetzt allerdings eher scherzeshalber.
    Doch Nonnenmacher bemerkte die Ironie in der Stimme seines Untergebenen nicht, sondern erwiderte ernst: »Nein, in einer roten Korsage mit Strapsen.«
    »So ein
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