Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
Vom Netzwerk:
Existenzen. Sepp, ich sage dir: Es wird kommen der Tag, da kommt so ein Öl-Taliban daher und kauft uns den See unterm Arsch weg. Haut ein paar Millionen auf den Tisch, und weg ist das Wasser, inklusive Fische, Seerosen und Wasserläufer. Einfach so! So schnell kannst’ gar nicht schauen, mein Lieber, das sag’ ich dir!«
    »Ja, aber was hat jetzt die Anne damit zum tun?«, traute sich Kastner nun doch noch einmal nachzufragen.
    »Das Ministerium hat sie zur Leiterin der gesamten Scheiß-, ach, was sag’ ich – Scheichs-Aktion ernannt.« Nonnenmacher sah Kastner ernst an. »Das heißt, ich bin da heraußen. Das muss man sich einmal vorstellen!« Das bärtige bayerische Mannsbild wischte sich den Schweiß der Verzweiflung und des Zorns von der Hand und schleuderte ihn gegen den Dienstplan an der Korkpinnwand. »Was die Leute jetzt von mir denken.« Nun flüsterte der wütende Gendarm beinahe, während sein Magen furchterregend knurrte. »Ich sag’ euch, was die Leute sagen werden: Der Nonnenmacher hat nix mehr zum melden. Das Ministerium traut dem Nonnenmacher nicht einmal mehr zu, dass er einen Ölscheich bewacht. Der Nonnenmacher lässt sich jetzt von einer Polizistin, die ausschaut wie die Brigitte Bardot« – Kastner unterbrach ihn mit einem korrigierenden »Angelina Jolie, die Bardot war blond«, was Nonnenmacher aber egal war –, »… auf der Nase herumtanzen. Das werden die Leut’ reden!«
    Anne war sich nicht sicher, aber bei den letzten Worten glaubte sie Tränen in den Augen des Dienststellenleiters erspäht zu haben. Dabei hatte ihr Sepp Kastner erst kürzlich erklärt, dass ein bayerischer Mann nur in einer Lebenssituation weine: wenn seine Mutter sterbe. Nonnenmacher tat ihr aufrichtig leid.
    Die Möwe hatte ihr Training beendet, dafür röhrte nun ein Traktor so laut an der Inspektion vorbei, dass Nonnenmacher seine Augenbrauen tief in die Stirn zog und für einen Augenblick sein Jagdinstinkt geweckt war: Denn hier verletzte ein Landwirt gerade eindeutig den Lärmgrenzwert, was natürlich bußgeldfällig war und somit eine Obliegenheit der Polizei.
    Doch ehe Nonnenmacher sich um die Verfolgung des Ruhestörers kümmern konnte, sagte Anne ruhig: »Aber Herr Nonnenmacher, wir ziehen hier doch an einem Strang! Ohne Ihre Erfahrung sind wir doch völlig aufgeschmissen. Gerade wenn es darum geht, so hohen Besuch zu schützen. Allein schon Ihre präzise Ortskenntnis ist doch unerlässlich für uns, Ihre Erfahrung, Ihr diplomatisches Geschick.« Sogar dieser letzte Zusatz kam ihr völlig ironiefrei über die Lippen. »Dieser Sommer, dieser Scheichbesuch bringen Herausforderungen für uns, die ohne Ihre Kompetenz und Ihr polizeiliches Wissen nicht zu bewältigen sind. Da ist es doch ganz gleich, was das Ministerium uns schreibt, oder was meinen Sie?«
    Nonnenmacher brummte etwas Unverständliches in seinen Bart hinein, insgesamt klang es aber nach besänftigter Zustimmung. Deshalb fuhr Anne fort: »Außerdem ist es doch auch eine Auszeichnung für unsere Dienststelle, dass wir mit der Bewachung eines echten arabischen Königs beauftragt werden und nicht die Kollegen aus der Kreisstadt oder aus München.«
    »Das ist natürlich richtig«, stimmte der Inspektionschef zu und sah Anne mit offenem Blick an. »Dass mir die ganze Aktion dann aber gemeinsam durchziehen! Von wegen Gesichtswahrung und so.«
    Anne nickte. Nonnenmacher, jetzt selbstsicherer, fuhr fort: »Dass ich quasi weiter der Chef bin und Sie sozusagen einen Sonderauftrag bekommen, also von mir.«
    »Genau«, sagte Anne und fand Nonnenmacher, diesen Bären von einem Mann, für einen Moment beinahe süß. Auch Sepp Kastner war furchtbar erleichtert, dass die für eine gute Zusammenarbeit so wichtige Harmonie wiederhergestellt war, und erkundigte sich nun leise, was denn eigentlich genau auf diesem Zettel stehe.
    Nonnenmacher informierte sie, dass das Ministerium die ganze Verantwortung für die Sicherheit des Besuchs des arabischen Königshauses in die Hände der hiesigen Polizeiinspektion lege und höflich dazu auffordere, möglichst schnell einen Einsatzplan mit einer konkreten Kräfteanforderung vorzulegen. Denn dem Ministerium sei auch klar, dass mit den in der hiesigen Polizeiinspektion zur Verfügung stehenden Beamten der Emir und seine Familie unmöglich hinreichend bewacht werden könnten. »Mir kriegen also Verstärkung«, sagte Nonnenmacher.
    »Hoffentlich nicht aus Franken«, meinte Kastner.
    »Noch schlimmer wären Schwaben«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher