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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon
Autoren: Ruth Thomas
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Unterstand. Im
Regen huschte er von Baum zu Baum auf der Suche nach einem geeigneten Versteck
für sein Geld. Er schaute zu dem Unterstand zurück, um sich zu vergewissern,
daß Julia nicht heimlich guckte. Dann begann er zu graben. Der Boden war
härter, als er gedacht hatte, und ein richtig tiefes Loch zu graben, war
unmöglich. Doch zum Glück war das Päckchen nicht sehr groß. Er nahm einen
Zwanzigpfundschein heraus und steckte ihn in das Futter seines Anoraks. Der
Rest kam in das Loch, das er mit Erde und Zweigen zudeckte. Der Regen würde
bald sämtliche Spuren verwischen, und falls doch noch etwas zu sehen war,
würden die Leute glauben, ein Hund habe gebuddelt. Nathans Geld war sicher
untergebracht.
    Julia hatte es noch einfacher. Bei der
Suche nach einem geeigneten Baum entdeckte sie einen, dessen Stamm hohl war.
Ihre scharfen Augen sahen den schmalen Spalt, und als sie die Hand
hineinsteckte, stellte sie fest, daß der Hohlraum innen wunderbar groß war.
Hinter dem Baum holte sie das Geld aus ihrer Unterhose. Sie zögerte, bevor sie
einen Zwanzigpfundschein aus dem Umschlag nahm und den Rest dann in das Loch im
Baum steckte. Den einzelnen Geldschein stopfte sie wieder in ihre Unterhose.
    „Ich hab Hunger“, sagte Nathan, als
Julia zum Unterstand zurückkam.
    Da erst merkte Julia, daß auch sie
hungrig war. Auf das Mittagessen in der Schule, das zwar nicht besonders
lecker, aber wenigstens reichlich war, mußten sie an diesem Tag ja verzichten. „Wir
könnten uns was kaufen“, schlug sie vor.
    „Hast du was von deinem Geld
zurückbehalten?“
    „Ja. Du auch?“
    „Ja, einen Schein.“
    „Dann nehmen wir jetzt deinen“, sagte
Julia.
    „Warum nicht deinen?“
    „Weil meiner in der Unterhose steckt
und ich nicht so gut drankomme. Außerdem wüßte ich dann nicht, wo ich das
Wechselgeld hintun soll.“
    „Okay, aber du mußt es mir zurückgeben.
Ich bezahle deine Fritten nicht.“
    „Ich gebe es dir zurück, wenn ich
morgen Kleingeld habe.“
    „Was kaufst du dir denn morgen?“
    „Das geht dich nichts an.“
    „Sollen wir zu Tonis Frittenbude gehen?“
    „Ja. Nur...“
    „Was?“
    „Ich überlege gerade“, sagte Julia.
    „Was denn?“
    „Toni wird sich wundern, woher wir die
zwanzig Pfund haben.“
    Sie hatte natürlich recht. „Was machen
wir dann?“ fragte Nathan.
    Ich überlege... Ich hab’s. Du wartest
draußen, und ich geh rein und sage, es ist für meine Mutter.“
    Nathan zog ein finsteres Gesicht und
ging langsamer. Wütend kickte er einen Stein vor sich her und murmelte etwas.
    „Was ist los?“ fragte Julia.
    „Nichts.“
    „Warum bist du jetzt sauer?“
    „Es ist nichts, hab ich gesagt!“ Nathan
kickte den Stein ein Stück weiter und wünschte, er könnte Julia treten. Er
hätte sie gern getreten, weil sie in einigen Dingen besser war als er. Seine
Wut wurde immer größer. Er wollte diesen unbeholfenen Laternenpfahl nicht in
seinem Abenteuer haben. Er wollte es allein genießen, auch nicht das kleinste
Stück mit jemandem teilen.
    „Rattengesicht“, sagte er lautlos
hinter ihrem Rücken, während sie zu der Frittenbude gingen.
    Dabei wußte er sehr genau, daß er sie
brauchte.

 
    3.
     

Geschenke und ihre
Folgen
     
     
     
    Der Tag, an dem Julia und Nathan ihren
aufregenden Fund gemacht hatten, war ein Freitag gewesen. Am Montag morgen
hoffte Julia, daß Mrs. Henrey die Sache mit der verschütteten Farbe vergessen
hatte. Mrs. Henrey hatte sie nicht vergessen, aber sie hatte beschlossen,
großzügig zu sein. „Geht es dir wieder besser, Julia?“ erkundigte sie sich mit
einem Anflug von Sarkasmus in der Stimme.
    „Ja, danke, Mrs. Henrey“, erwiderte
Julia dankbar. „Ich hatte schlimme Kopfschmerzen“, fügte sie hinzu, und die
hellen Augen flehten darum, daß Mrs. Henrey ihre Lüge durchgehenlassen würde.
    Doch Mrs. Henrey hatte ohnehin das
Interesse an Julia und ihren Problemen verloren, genauso wie sie Nathans
Verschwinden auf dem Rückweg vom Park nicht mehr interessierte. An diesem
Morgen interessierte sich Mrs. Henrey ausschließlich dafür, wie sie der Klasse
das Prozentrechnen beibringen könnte. Daß auch Julia es begreifen würde, war
natürlich völlig ausgeschlossen, doch montags war glücklicherweise der Tag, an
dem Mrs. Henrey Julia wenigstens für eine Stunde vom Hals hatte.
    „Vergiß deine Stunde nicht, Julia. Miss
Payton wartet in der Bücherei auf dich.“
    Julia wurde schamrot und stand auf.
Wenn es wieder soweit war, hatte sie jedesmal
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