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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz
Autoren: Sarah Saxx
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sein gesamtes Auftreten.
    „Sag schon, die Wievielte bin ich? Gibt es eine detaillierte Auflistung, wie viele Frauen du verarscht hast? Hast du vielleicht eine Fotowand in deinem Schlafzimmer, wie sie die Psychopaten von ihren Mordopfern anlegen? Hast du mein Foto jetzt abgehakt, oder hast du noch einen weiteren Angriff auf mich geplant? Hier …!“ Ich deutete auf die Stelle auf meiner Brust, hinter der mein Herz schlug. „Genau hier tut es weh. Macht dich das scharf? Na? Sag schon! Gefällt es dir, wenn du mich leiden siehst?“
    Ich wusste, dass ich überreagierte, aber es sprudelte einfach alles aus mir raus, was seit fünfzehn Jahren in das Fass hineingetropft war.
    Einen Moment hielt ich inne, um Luft zu holen nach meinem brisanten Monolog. Ich durfte ihm ja nicht in seine Augen sehen. Zu schmerzhaft würde es für mich sein, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich mich aus diesem Sog dann wieder befreien könnte.
    Julian machte es mir einfach – er wich meinem Blick aus. Soso, hatte er also doch ein schlechtes Gewissen. Siegessicher reckte ich mein Kinn in die Höhe.
    Plötzlich bewegte er sich auf mich zu, viel schneller, als ich es erwartet hätte. Er nahm mich in die Arme, hielt mich fest. Panisch versuchte ich, mich von ihm loszureißen.
    „Ich schwöre dir, wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt, schreie ich das ganze Haus zusammen.“
    Doch meine Drohung hatte nicht annähernd die Wirkung, die ich erhofft hatte, da meine Stimme beinahe versagte und mehr einem Piepsen glich. Da war es auch nicht weiter verwunderlich, dass er meine Worte komplett ignorierte. Er presste sich noch fester an mich. Jedoch hatte die Art, wie er es tat, etwas … verwirrend Zärtliches an sich.
    Er hatte eine Hand knapp oberhalb meines Hinterns platziert, gerade hoch genug, um die Berührung nicht aufdringlich wirken zu lassen. Die andere lag an meinem Nacken, und seinen Kopf schmiegte er an meinen. Ich war verwirrt, und als ich sein leichtes Beben spürte, hob ich meinen Kopf und blickte ihm ins Gesicht. Tränen liefen über seine Wangen, und, als er immer mehr geschüttelt wurde und zu schluchzen begann, setzte Neele mit ein und jaulte leise auf.
    Ich kannte mich überhaupt nicht mehr aus. Hatten ihn meine Worte verletzt? Klar war ich nicht zimperlich mit der Wortwahl, teilweise hatte ich mich etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, aber das waren doch keine Gründe, um zu weinen! Warum sollte er auch weinen, gerade er! Also blieb nur eine Möglichkeit: Er spielte mir wieder etwas vor!
    Erneut wurde ich wütend, wütender als zuvor. Ich wollte wieder ansetzen, mich aus seiner Umklammerung befreien, ihn gleichzeitig beschimpfen und das Haus zusammenschreien – hier war ich mir noch nicht ganz sicher, welche Reihenfolge die effektivste wäre –, als ich seine Hände über meinen Kopf und Rücken streicheln spürte.
    Damit nahm er mir komplett den Wind aus den Segeln. Wenn er mich nicht schon ab dem Zeitpunkt hatte, ab dem ich seinen Körper an meinem spürte. Seine nasse Wange lag an meiner, und ich konnte die Wärme spüren, die von ihr ausging. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, ihn zu trösten! Scheiße! Wie kam das denn?
    „Wir sollten nicht hier im Gang stehen bleiben. Die Nachbarn sind viel zu neugierig.“
    Julian nickte. Er wischte sich kurz über sein Gesicht und nahm mir die Wasserflasche ab. Ich ging in die Küche. Wortlos füllte ich eine Schüssel mit Wasser, die ich Neele auf den Boden stellte. Zu Julian sagte ich nur, während ich auf den Kühlschrank wies: „Bedien dich, bitte. Ich gehe duschen. In ein paar Minuten bin ich wieder da.“
    Zurück aus dem Bad pochte mein Herz immer noch wie wild. Einerseits hatte ich Angst vor dem, was mich jetzt erwartete. Viel größer war jedoch die Angst, Julian und Neele wären nicht mehr hier und ich würde eine verlassene Wohnung vorfinden. Doch Julian kniete im Wohnzimmer vor seiner Hündin, die seine Streicheleinheiten genoss. Als er mich sah, mit Shorts, Tanktop und nassen Haaren, stand er auf und setzte sich auf die Couch. Auf dem Tisch standen eine geöffnete Colaflasche und zwei Gläser – eines voll, das andere fast ganz geleert.
    „Hast du Hunger?“ Kurz fühlte ich mich wie meine Mutter.
    Julian schüttelte stumm den Kopf und blickte ohne Unterbrechung auf sein Glas. Hurra, das Schweigen hatte uns wieder. Ich beschloss, mich erst einmal zu ihm auf die Couch zu setzen – mit ausreichend Sicherheitsabstand. Ich brauchte immerhin meine volle
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