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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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»Nein. Weil meine Fragen meist so alltäglich und banal sind, dass es den Leuten gar nicht einfällt, mir etwas vorzumachen.«
    »Die Technik würde ich auch gern beherrschen«, sagte Brunetti.

4
     
    Sie verabschiedeten sich freundlich voneinander, wenn auch das unbehagliche Gefühl zurückblieb, dass Brusca mit keinem Wort erklärt hatte, warum er gekommen war oder was Brunetti mit den Informationen, die er ihm gegeben hatte, anfangen sollte. Brusca hatte deutlich gemacht, dass Richterin Coltellini von der Gier nach Geld getrieben wurde, woraus man leicht schließen konnte, dass sie von Leuten dafür bezahlt wurde, deren Prozesse zu verschleppen. Aber dass dieser Schluss leicht zu ziehen war, machte ihn noch nicht wahr, und erst recht gab es keine gerichtsverwertbaren Beweise.
    Was mochte Fontana dazu bewegen, sich an dieser Sache zu beteiligen? Liebe, Liebe, Liebe schien Brunetti kein hinreichendes Motiv für einen Mann, der als »äußerst korrekt« beschrieben wurde, sich korrumpieren zu lassen, aber brauchte es überhaupt ein zwingendes Motiv?
    Nach so vielen Jahren im Dienst empörte sich Brunetti nur noch selten, wenn ihm neue Enthüllungen über die Geschicklichkeit, mit der seine Mitbürger sich an den Gesetzen vorbeimogelten, zu Ohren kamen. Manche Fälle – auch wenn er das niemandem gegenüber zugab – nötigten ihm unfreiwillig Bewunderung für die Raffinesse ab, mit der da vorgegangen wurde, besonders wenn es Gesetze betraf, die er selbst für ungerecht hielt, oder Sachverhalte, die in seinen Augen der reine Wahnsinn waren. Wenn Ampeln vorsätzlich so programmiert wurden, dass sie schneller als gesetzlich vorgeschrieben umsprangen, damit sich die Polizei die zusätzlichen Bußgelder mit den Leuten teilen konnte, die die Zeitschalter einstellten – wer außer einem Irren konnte es da noch für ein Verbrechen halten, Polizisten zu bestechen? Wenn Scharen von verurteilten Kriminellen im Parlament saßen – wer konnte da noch an den Rechtsstaat glauben?
    Dass die dunklen Machenschaften der Richterin Coltellini Brunetti schockierten, ließ sich nicht gerade sagen; überrascht war er, das schon, aber auch nur, weil es sich um eine Frau handelte. Selbst wenn er seine Überzeugung, dass Frauen weniger kriminell als Männer seien, mit Statistiken untermauern konnte, war er doch eher durch seine Erziehung und seine Lebenserfahrung zu dieser Ansicht gelangt. Was er für die richtige Ordnung der Dinge hielt, wurde – wenn Bruscas Annahme sich als zutreffend erweisen sollte – gründlich über den Haufen geworfen.
    Bruscas Andeutungen ließen ihn nicht los. Er breitete die Papiere auf seinem Schreibtisch aus und ging sie noch einmal durch. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Namen Coltellini, der auf jeder der vier Seiten mehrmals vorkam und insgesamt sechs verschiedene Aktenzeichen betraf. Brunetti holte ein paar farbige Textmarker aus seinem Schreibtisch. Dann machte er sich an die erste Seite und markierte mit dem grünen Stift ihren Namen bis zum Ende der Liste überall da, wo er mit dem ersten Fall in Zusammenhang stand, so dass alle diesbezüglichen Verhandlungstermine mit derselben Farbe gekennzeichnet waren. Für den nächsten Fall nahm er den rosa Stift. Für den dritten den gelben; für den vierten den orangefarbenen; die Nummer des fünften musste er mit Bleistift einkreisen, und für den letzten Fall nahm er einen roten Kugelschreiber.
    Mit Grün hatte sie nur dreimal zu tun gehabt: das zweite Mal an dem Tag, der in der »Ergebnis«-Spalte des ersten Termins stand, das dritte Mal an dem Tag, der beim zweiten Mal im Ergebnisfeld eingetragen war: Und trotzdem hatte der Prozess sich über zwei Jahre hingezogen. Der rosa Fall war zwar durchweg zu den jeweils angesetzten Terminen verhandelt worden, jedoch lagen die insgesamt sechs Verhandlungstage immer mindestens ein halbes Jahr auseinander. Brunetti hätte gern gewusst, worum es in dem Fall gegangen war. Wieso hatte man drei Jahre bis zur Entscheidung gebraucht?
    Die gelbe Spur war ergiebiger. Die erste Verhandlung vor über zwei Jahren war kommentarlos um sechs Monate vertagt worden, und an dem betreffenden Termin hatte man wiederum ohne Angabe von Gründen einen neuen mehr als fünf Monate später anberaumt. Im »Ergebnis«-Kasten neben dem dritten Verhandlungstag stand ein neues Datum, diesmal sechs Monate später, sowie die Anmerkung: »Unterlagen fehlen«. Die nächste Verschiebung, wieder um sechs Monate, wurde mit »Krankheit«

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