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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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die hinzu, die es unterließen, hinter ihren Hunden sauberzumachen; wenn es nach ihm ginge, würde er denen so saftige Bußgelder aufbrummen, dass…
    »Commissario?«, riss ihn eine Stimme aus seinen wilden Spekulationen über die Höhe der Bußgelder, die er verhängen würde, und die Maßnahmen, die dazu erforderlich wären.
    »Ja, Signorina?«, sagte er und drehte sich um. »Was gibt es?«
    »Ich habe eben Vianello gesehen. Im Bereitschaftsraum, er hat telefoniert. Ich glaube, es geht ihm nicht gut.«
    »Ist ihm schlecht?«, fragte Brunetti und dachte daran, was die Hitze alles mit einem anstellen konnte.
    Signorina Elettra kam ein paar Schritte in sein Büro herein. »Das weiß ich nicht, Signore. Ich glaube nicht. Er war irgendwie durcheinander, wollte sich aber nichts anmerken lassen.« Brunetti war daran gewöhnt, dass sie gut aussah; heute stellte er verwundert fest, dass sie immer noch cool wirkte. Statt weiter nach Vianello zu fragen, platzte er heraus: »Finden Sie es nicht heiß?«
    »Entschuldigung, Signore?«
    »Die Hitze. Die Temperatur. Ist es nicht heiß? Ihnen, meine ich. Finden Sie es nicht heiß?« Es fehlte nicht viel, und er hätte ihr ein Bild von der Sonne gemalt, um sich zu erklären.
    »Nein, nicht besonders, Signore. Es sind doch nur 30   Grad.«
    »Und das ist nicht heiß?«
    »Für mich nicht, nein.«
    »Warum?«
    Er sah sie mit der Antwort zögern. Schließlich sagte sie: »Ich bin in Sizilien aufgewachsen, Signore. Also hat mein Körper sich wohl an die Hitze gewöhnt. Mein Thermostat wurde entsprechend programmiert. Könnte man sagen.«
    »In Sizilien?«
    »Ja.«
    »Wie denn das?«
    »Oh, mein Vater war dort ein paar Jahre tätig«, sagte sie so leichthin, dass er es für ratsam hielt, genauso leichthin das Thema zu wechseln.
    In geschäftlichem Ton fragte er: »Wissen Sie denn, mit wem er gesprochen hat?«
    »Nein, Signore, aber es war jemand, den er so gut kannte, dass er ihn mit ›tu‹ angeredet hat. Und er schien mehr zuzuhören, als selbst zu sprechen.«
    Brunetti nahm ein paar von den Papieren, die sie ihm in der Frühe gebracht hatte, faltete sie in der Mitte zusammen und sagte: »Die wollte ich ihm zeigen.« Er wartete, dass sie ging, weil er es für wenig vorteilhaft hielt, wenn Vianello sie zusammen die Treppe herunterkommen sah, als hätte Elettra aus der Schule geplaudert.
    Bevor sie sich zur Tür umdrehte, sagte sie: »Er hat mich nicht gesehen, Commissario.« Und dann war sie weg. Als er sein Büro verließ, war sie bereits die Treppe hinunter verschwunden.
    Brunetti ging langsam nach unten. Im Bereitschaftsraum sah er Vianello an seinem Schreibtisch, halb abgewandt, immer noch am Telefon, doch Brunetti erkannte sofort, was Signorina Elettra gemeint hatte. Der Ispettore saß tief über den Hörer gebeugt, seine freie Hand rollte einen Bleistift auf der Tischplatte hin und her. Aus dieser Entfernung sah es aus, als habe er die Augen geschlossen.
    Brunetti beobachtete, wie der Inspektor mechanisch und ohne ein Wort zu sagen den Bleistift auf dem Tisch herumrollte. Vianello verzog die Lippen, entspannte sie wieder. Der Bleistift blieb ständig in Bewegung. Schließlich nahm er den Hörer vom Ohr, langsam und mit großer Anstrengung, als ziehe ein magnetisches Kraftfeld ihn an sein Ohr zurück. Er hielt ihn mindestens zehn Sekunden lang vor sich in der Hand, und Brunetti hörte eine Stimme aus der Leitung schallen: weiblich, alt, zänkisch. Vianello machte die Augen auf und fixierte die Tischplatte. Dann legte er auf, langsam und vorsichtig, als sei der Hörer die Person selbst, deren Stimme noch immer ins Zimmer drang.
    Der Inspektor blieb lange so sitzen, den Blick auf das Telefon geheftet. Schließlich fuhr er sich mit seinem Taschentuch über die Stirn, steckte es wieder ein und stand auf. Als er sich der Tür zuwandte, hatte Brunetti ein unbeteiligtes Gesicht aufgesetzt und kam seinem Mitarbeiter mit den Papieren in der Hand entgegen.
    Bevor Brunetti von den Papieren anfangen konnte, sagte Vianello: »Gehen wir zur Brücke. Ich brauche einen Drink.«
    Brunetti faltete die Papiere wieder zusammen, und da er kein Jackett trug, faltete er sie noch kleiner zusammen und steckte sie in die hintere Hosentasche.
    Als sie aus der Questura ins Freie traten, stellte Brunetti fest, dass seine Sonnenbrille noch oben in seiner Jackentasche war. Unwillkürlich hob er die linke Hand, um seine Augen vor dem grellen Licht zu schützen. »Könnte mir denken, so fühlt man sich bei
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