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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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hatte Brunetti immer an dieses Tier erinnert: dichte dunkle Haare, aber weiße Schläfen; ein untersetzter Körper auf kurzen Beinen; unglaubliche Zähigkeit, wenn ein Thema sein Interesse geweckt hatte.
    »Ich habe Toni auf der Treppe getroffen«, sagte Signorina Elettra; Brunetti hatte keine Ahnung gehabt, dass die beiden sich kannten. »Also dachte ich, ich zeige ihm den Weg zu Ihrem Büro.« Sie machte einen Schritt zurück und schenkte dem Besucher ein Lächeln erster Güte. Daraus konnte man zweierlei schließen; entweder war Brusca ein guter Freund von ihr, oder aber als Frau von unerschöpflicher und instinktiver Durchtriebenheit wusste sie: Der Mann war Leiter der städtischen Personalverwaltung und konnte somit potentiell von Nutzen sein.
    Brusca nickte ihr freundlich zu und ging zu Brunettis Schreibtisch rüber, wobei er sich in dem Zimmer umsah. »Jedenfalls hast du mehr Licht als ich«, sagte er anerkennend. Brunetti bemerkte, dass Brusca eine Aktentasche mitgebracht hatte.
    Der Commissario kam um seinen Schreibtisch herum, nahm Bruscas Hand und klopfte ihm ein paarmal auf die Schulter. Dann nickte er Signorina Elettra zu, die ihn mit einem Lächeln bedachte, wenn auch nicht mit einem erster Güte, und das Büro verließ.
    Brunetti bot seinem Freund einen der Stühle vor seinem Schreibtisch an und setzte sich auf den anderen. Er wartete, dass Toni zur Sache kam: Brusca war bestimmt nicht gekommen, um über die jeweiligen Vorzüge ihrer Büros zu reden. Toni war kein Mann, der Zeit und Energie verschwendete, wenn er einen Plan verfolgte oder etwas wissen wollte; das wusste Brunetti noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in der scuola media. Die beste Taktik war immer gewesen, einfach abzuwarten, und genau das hatte Brunetti jetzt vor.
    Brusca legte zügig los: »Ich wollte dich etwas fragen, Guido.« Er zog eine durchsichtige Plastikhülle aus seiner Aktentasche und nahm ein paar Bögen Papier heraus.
    Er stellte die Aktentasche auf den Boden, hielt die Papiere im Schoß und sah seinen Freund an. »Im Rathaus sprechen viele Leute mit mir«, sagte er. »Und manchmal erzählen sie mir Dinge, die mich neugierig machen, und dann höre ich mich um. Und da ich in einem Büro im Parterre und mit nur einem Fenster sitze, und da mein Job mir erlaubt, neugierig zu sein, was die Leute so treiben – und da ich immer sehr höflich und sehr gründlich bin –, antwortet man in der Regel gern auf meine Fragen.«
    »Auch wenn es um Dinge geht, die dich beruflich eigentlich nichts angehen?«, fragte Brunetti, der schon ahnte, warum Brusca seinen Freund, den Polizisten, aufgesucht hatte.
    »Durchaus.«
    »Und so etwas hast du hier?«, fragte Brunetti und wies auf die Papiere. Wie Brusca zog auch er es vor, keine Zeit zu verschwenden.
    Brusca reichte sie ihm hinüber. »Sieh’s dir an«, sagte er.
    Das erste Blatt trug den Briefkopf des Tribunale di Venezia. Darunter auf der linken Seite vier Spalten mit den Überschriften: »Aktenzeichen, Datum, Richter, Gerichtssaal«, rechts davon neben einem dicken senkrechten Strich ein Kasten, über dem »Ergebnis« stand. Brunetti schob das Blatt zur Seite und fand darunter drei weitere, ähnliche. Die Kopien waren von unterschiedlicher Qualität: Eine war so unscharf, dass sie kaum lesbar war. Rechts unten trug jede Seite einen Datumsstempel nebst Unterschrift, und daneben prangte der Stempel des Justizministeriums. Verschiedene Daten, immer dieselbe Unterschrift. Zweimal war das Siegel des Justizministeriums so nachlässig gestempelt, dass es nicht vollständig aufs Papier geraten war. Brunetti kam es vor, als habe er sein ganzes Leben mit solchen Dokumenten verbracht. Wie viele mochte er selbst abgestempelt und weitergeleitet haben?
    Aber das hier war nicht die Art von Gerichtsdokumenten, die er in Zusammenhang mit seinen Ermittlungen zu lesen gewohnt war, weder die üblichen Transkripte von Zeugenaussagen oder Plädoyers am Ende eines Prozesses noch Kopien der schließlich ergangenen Urteile. Die hier waren nur zum internen Gebrauch bestimmt, und wenn er das richtig verstand, ging es um dem Urteil vorausgehende Termine. Ein Muster konnte er nicht erkennen.
    Er sah Brusca an, der keine Miene verzog. Brunetti wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren zu. Er suchte nach Übereinstimmungen und stellte fest, dass man viele der aufgeführten Sitzungen ohne Verhandlung aufgeschoben oder vertagt hatte, und dann fiel ihm auf, dass die meisten dieser Fälle derselben Richterin zugeteilt
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