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Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß

Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß

Titel: Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
Autoren: Oliver Hassencamp
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erzogen.“
    „Vater war ganz begeistert“, sagte die Mutter, „Mir wäre ja eine Schule lieber, von der du nach dem Unterricht heimkommst. Aber diese Burg scheint etwas ganz Besonderes zu sein. Stell dir vor, die Jungen dort belügen nicht einmal ihre Lehrer! So etwas habe ich noch von keiner Schule gehört!“
    „Platz wäre vorhanden, hat Direktor Meyer gesagt. Und der Lehrplan scheint auch nicht so hart zu sein wie in der Ebert-Schule. Nun, was meinst du, Andi?“ Der Vater holte sich eine Zigarre und sah seinen Sohn erwartungsvoll an. Andi zog die Schultern hoch.
    „Gut“, sagte er, „wenn ihr meint, gehe ich eben auf den Schreckenstein.“
    Und so zog er alsbald mit Sack und Pack, mit Rennrad und recht gemischten Gefühlen auf der Burg ein. Die Ritter nahmen ihn auf mit einer Selbstverständlichkeit, als gehöre er seit Jahr und Tag zu ihnen und sei nur einmal kurz verreist gewesen. Das erleichterte die ungewohnte Trennung vom Elternhaus. In der ersten Nacht lag Andi lange wach und dachte nach. Würde er sich eingewöhnen können? Tagsüber ließ das Leben auf der Burg für Grübeleien keinen Raum. Aufstehen, Dauerlauf durch den Prinzengarten, bei Wind und Wetter nur mit einer Turnhose am Leib, anschließend unter die kalte Dusche. Dann Frühstück, Unterricht, Trainingspause, Unterricht, Mittagessen, Liegepause, Sport, Werk- und Feldarbeit, Teepause, Schulaufgaben, Abendessen, danach noch irgendeine Veranstaltung, Chorsingen, Vorlesen, Konzert, eine lehrreiche Fernsehsendung, Basteln oder Gesellschaftsspiele. Und dazwischen eine Unmenge von Pflichten, wie Holzsägen oder Kohlentragen für die Küche, Wasserhähne und Glühbirnen kontrollieren und dergleichen mehr.
    Während der ersten Tage war Andi nur müde, schlief ein, wo er sich hinsetzte, und kam überall zu spät. So lernte er im Morgengrauen eines Regentages den Ort Wampoldsreuthe kennen. Schweigend, wie andere Ritter, marschierte er seine Strafe ab. In der zweiten Woche wich die Müdigkeit. Dafür stellte sich ein unbeschreiblicher Hunger ein.
    „Wenn du so weitermachst, brichst du bald Ottokars Essrekord“, sagte Stephan schmunzelnd.
    „Wieso? Wie hoch ist der?“ fragte Andi.
    „Zwanzig Dampfnudeln mit Vanillesoße!“ Andis Achtung wuchs vor den Rittern mit jedem Tag. Der sehr straffe und ausgedehnte Sportbetrieb, das Nachholpensum in der Klasse, die körperliche Arbeit an der frischen Luft und vor allem das Tempo, mit dem hier alles vor sich ging, machten ihm klar, dass selbst ein konditionsstarker Neustädter Radrennfahrer noch lange kein Ritter ist. Die Schreckensteiner siegten nicht umsonst, wohin sie kamen! Sie waren harte Burschen.
    Mit der Zeit änderte sich auch seine Einstellung zu den Lehrern. Es hatte wirklich keinen Sinn, sie während des Unterrichts zu ärgern, wenn man nachher beim Essen wieder mit ihnen zusammensaß und ihnen auf Schritt und Tritt begegnete.
    Nun waren die Schreckensteiner Lehrer aber auch ganz anders, fast wie Kameraden. Sogar am Sport nahmen sie teil. Der Netteste von allen war zweifellos Doktor Waldmann, dessen Tochter Sonja drüben in Schloss Rosenfels auf der anderen Seite des Kappellsees unterrichtete und manchmal herübergerudert kam. Aber auch Gießkanne, den Gesangslehrer, und Rolle, den Sportlehrer und Mannschaftstrainer, schloss er alsbald in sein Herz. Und den Schreinermeister Schrimpf in Wampoldsreuthe, zu dem er jeden Mittwochnachmittag in die Lehre ging. Wie jeder auf der Burg, musste auch Andi zusätzlich ein Handwerk lernen. Da war es kein Wunder, dass für das kostbare Rennrad wenig Zeit übrig blieb, nicht einmal soviel, um es zu vermissen.
    Ottokar, der als Schulkapitän mit dem Rex zusammen die Zimmerordnung machen durfte, hatte Andi zu Stephan in den kleinen Turm gelegt. Das war ein besonders beliebtes Zimmer, mit Fenstern nach drei Seiten. Seine Stubenkameraden waren Eugen und Pummel, die beiden Segelflieger. Sie flogen zwar noch nicht, bastelten aber unter Doktor Waldmanns Anleitung mit großem Eifer. Zimmerführer war Stephan, der Inhaber des Kugelstoßrekords, der in der Ritterschaft eine ganz große Rolle spielte, Doch wenn Andi langsam seine anfängliche Abneigung gegen die besondere Art der Ritter überwand, so verdankte er das dem kleinen Mücke, mit dem sich eine richtige Freundschaft anzubahnen begann.
    „Sag mal“, fragte Stephan eines Abends, „kannst du eigentlich ein Instrument spielen?“
    „Nur Fahrradklingel“, antwortete Andi. Eugen und Pummel lachten. „Wir
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