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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
Autoren: Heinz Malangré
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Daraus entstehen
jene zauberhaften Ornamente, Plastiken und Deckenmalereien, wie wir sie zum
Beispiel im Kreuzgang von Santo Domingo de Silos sehen dürfen.
    Die Wechselbeziehung von
Christlichem und Maurischem ist geradezu perfekt. Vor der Reconquista, der
christlichen Eroberung Spaniens, bereichern Christen die islamischen Bauten:
mozarabischer Stil ist die Folge, Begegnung von maurischem Bau und Romanik.
Während und nach der Reconquista lädt die Romanik und vor allem die Gotik die
maurischen Künstler ein, ihre Formen und Techniken dem christlichen Bau zu
verbinden. Der Mudéjar-Stil ist das Ergebnis. — Hier sind zwei Stilarten
sozusagen den politischen und kriegerischen Linien gefolgt, dem Vordringen des
Christentums in Spanien gegen die Mauren, vorher der maurischen Herrschaft bei
den verbliebenen Christen. — Kultur war nicht totzuschlagen, Christen bauten
bei den Mauren, Mauren bei den Christen. Die Ergebnisse sind beglückend.
     
    Die Wege: wo sind wir? Wir sind
auf dem „camino de Santiago“, wir fahren von Pamplona über Burgos und die
vielen wunderschönen Zwischenstationen nach Santiago de Compostela. Das ist
unser Ziel. Über dieses Ziel gibt es vieles zu berichten. Und doch hat der Weg,
haben die Wege einen Eigenwert.
     
    Im schon erwähnten Kreuzgang
von Santo Domingo de Silos sehen wir im Halbrelief des Kreuzgangs eine
bewegende Szene: Christus begegnet den beiden Emmaus-Jüngern. Und dieser
Christus hat das Habit und die Insignien eines Santiagopilgers, mit Tasche und
Pilgermuschel! Christus Viator. Jesus pilgert mit uns. Wie gut, daß er mit uns
allen geht, gekleidet in unser Pilgergewand. Menschwerdung Gottes ist das,
Zuwendung ohnegleichen.
    In Villafranca del Bierzo
erleben wir die „Gnadenstation“. Pilger, die sich bis hierher geschleppt hatten
und nicht mehr weiterkonnten, fanden vor dem letzten Paß, dem Cebreiro, noch
ein Kirchlein, das ihnen vollen Nachlaß aller Sünden gewährte. Hier sehen wir
die „Puerta del Perdón“, die Pforte der Verzeihung. Wie viele mögen hier
aufgegeben haben? Es gibt hier einen sehr großen Friedhof; er liegt unter Gras
und schönen, duftenden Blüten.
    Der Weg geht weiter, vorbei an
Piedrafita, hinauf auf den Cebreiro-Paß. Er ist die letzte Höhe vor der Ankunft
in Santiago de Compostela.
    Dieser Paß, seine Schönheit,
seine wundervolle Landschaft, seine Blumen, seine Gastlichkeit, seine
Zielrichtung auf Santiago! Er gehört schon fast soviel zum Ziel wie zum Weg,
wenn man das überhaupt trennen kann.

2. KAPITEL

Das Ziel
     
     
    Sind Wege wichtig? Ja, sie sind
es. Sind Wege wichtig ohne Ziel? Nein — wenigstens nicht so sehr.
    Welcher Pilger hätte sich auf
den Weg gemacht, ohne an ein Ziel zu glauben? Wer wäre nach Santiago de
Compostela gepilgert, ohne zu hoffen, er werde dort ankommen?
    So gibt es denn kein Ziel ohne
Wege — und Wege haben keinen Eigenwert ohne Ziel. Darum müssen wir nach den
Wegen jetzt über das Ziel sprechen.
     
    Wir sind auf dem Cebreiro-Paß,
in fast 1300 m Höhe. Hier beginnt Galicien, „Gelobtes Land“ der Pilger genannt.
Galicien ist das westlichste der alten spanischen Königreiche, die um die Wende
vom ersten zum zweiten Jahrtausend entstanden: Aragonien, Navarra, Kastilien,
Asturien, León und eben Galicien. Keimzelle war das Königreich Asturien, das
der Westgote Pelayo nach der siegreichen Schlacht mit den Mauren bei Covadonga
um 718 — also vor Tours und Poitiers 732! — gründete und das um 910 in
Galicien, Asturien und León aufgeteilt wurde. — Aus diesen kleinen Königreichen
entwickelte sich die sogenannte Reconquista, die Wiedereroberung — oder
Eroberung? — Spaniens von den Mauren. Für den Jakobuskult ist das ein sehr
wichtiges Geschehen.
    Cebreiro-Paß: In Piedrafita
sind wir vom „offiziellen“ Jakobsweg abgebogen und weiter in das Kantabrische
Gebirge auf die zauberhafte Höhe des Cebreiro gefahren.
    Nur eine kleine Ansiedlung ist
hier, ein Kirchlein der heiligen Maria, ein Gasthof, ein paar anscheinend
keltische Steinhütten, fensterlos, ohne Schornstein — die Sonne lacht, die
Blumen blühen, sogar in dem Gemäuer des Kirchleins haben sich kleine,
wunderschöne Blüten eingenistet. Und um diese kleine Welt herum lobt und jubelt
ein Panorama von überwältigender Schönheit: Berghänge, Täler, hohe Kämme in der
Ferne, grünbegraste und gelbbeblumte Matten in der Nähe, ein Eselpaar hinter
einer Bruchsteinmauer, dann ein Jakobskreuz: Christus vorne, Maria auf der
anderen Seite,
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