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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
Autoren: Heinz Malangré
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führt
dann in die Krypta mit dem silbernen Reliquienschrein des Santiago; sogar die Pilgerstäbe
des Jakobus und des heiligen Franz von Siena kann man hier bewundern — oder
auch nicht.
    Die ganze Problematik des
Reliquienkults wird schon hier deutlich.
    Wir beginnen zu begreifen, daß
geistige Aussage nicht des zweifelsfreien historischen Belegs bedarf. Diesen
gibt es ja auch gar nicht. Wohl gibt es Zusammenhänge, die zur
Jakobus-Verehrung, zur Santiago-Wallfahrt geführt haben. Und diese
Zusammenhänge sind großartig: politische, geistige, theologische,
künstlerische, soziale... eine Fülle von Gründen zu weiteren Fragen und
Überlegungen tut sich auf.
    Die Kathedrale von Santiago de
Compostela weicht in einem Punkt von ihren großen und kleinen Schwesterkirchen
ab: wo sich sonst in spanischen Kathedralen der „Coro“, die abgeschlossene
Choranlage des Konvents, für die privilegierte Priesterschaft befindet, nämlich
in der Mitte des Hauptschiffs, ist hier freier Raum für den gemeinen Beter.
Hinein in dieses Mittelschiff ragen die beiden Orgeln, rechts und links. Fast
etwas bedrohlich richten sich die waagerechten Pfeifenbatterien mit den
„Spanischen Trompeten“ aufeinander. — Diese Orgeln tönen mit Braus und Jubel,
während der „botafumeiro“ durch das Querschiff schwingt, duftende Wolken
aussendend. Klang, Bild, Duft und Berührung in der feiernden Menge vereinen
sich zu einer einmaligen Symphonie der Eindrücke, alle Sinne ansprechend, nie
so gehört, gesehen, gerochen, gefühlt.
    Ist dies das Ziel? Ja, schon:
und doch nicht ganz. Es fehlt ihm die geistige Dimension, welche über die
Sinnenwelt hinausführt. Aber diese geistige Dimension erlebten wir ja beim
Eintritt in die Kirche: am Portico de la Gloria. Hier war und ist die geistige
Qualität des „Zieles“ markiert: Gewährung der verheißenen Erlösung. Nehmen wir
den Trost der Verheißung und die Freude über die Gewährung — wann diese auch
immer sei — mit in das Fest der Sinne, dann sind wir am Ziel der Pilgerfahrt
nach Santiago. Dann sind wir bei dem „seltsamen Heiligen“, von dem wir so wenig
wissen und über den es doch so viele Geschichten gibt, deren Wahrheit nicht
historisch, sondern „inwendig“ ist.

Cahors, „Pont Valentré“, die
Wehrbrücke über den Fluß Lot
     

3. KAPITEL

Der Heilige
     
     
    Wir schauen auf ein Puzzle- und
Verwirrspiel. Aber vielleicht gelingt es uns, einige Linien und Bilder deutlich
zu machen.
     
    Zunächst zur Geschichte des
Heiligen, zur sogenannten Hagiographie. Da ist vorweg zu ordnen. Es gibt
nämlich mehrere Jakobs. — Sprechen wir zuerst von ihrem großen Namenspatron aus
den Schriften des Volkes Israel: dem Stammvater der zwölf Stämme Israels, dem
Betrüger seines Bruders Esau um den Segen Isaaks, dem Träumer von der
Himmelsleiter mit den auf- und absteigenden Engeln und dem Ringer mit Gott. 6 Er ist natürlich
nicht gemeint, wenn die fromme Christenheit den Jakobuskult begründet; und doch
gäbe es keinen christlichen Jakob ohne den jüdischen. Das müssen wir bedenken.
Bedenken müssen wir auch die hebräische Bedeutung des Namens. Sie ist eine
Kurzform von „ya’aqov’el“, das heißt: „Gott möge beschützen“. Es gibt auch andere
Deutungen: z.B. Fersenhalter, das heißt Betrüger (Gen 25, 26). Isaak sagt zu
Esau über Jakob: „Dein Bruder hat dich mit List um deinen Segen gebracht“ (Gen
27, 36). Welche Hypotheken für unseren Heiligen! Das Grab des
alttestamentalischen Jakob sehen wir in Hebron, einem der „heißesten“ Orte im
israelischarabischen Konflikt. Maschinengewehre bewachen das Grab Abrahams,
Isaaks und Jakobs in der Höhle Machpela. Jakob ist Träger der Verheißung: „Du
hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gesiegt; darum wird man dich
Israel nennen“ (Gen 32, 29). Martin Buber übersetzt Israel als „Fechter
Gottes“. Parallelen zum „Matamoros“, zum Maurentöter der spanischen
Reconquista, sind zumindest verfrüht. Soviel zum Patriarchen Jakob.
    Es gibt dann einen anderen Jakobus
in der Schrift, den „Bruder des Herrn“, der nach Petrus Bischof von Jerusalem
und Haupt der christlichen Gemeinde wurde. Er wird beim Evangelisten Markus
erwähnt, als in Nazareth über Jesus räsoniert wird: „Er (Jesus) ist doch der
Zimmermann, der Sohn von Maria und der Bruder von Jakobus...“ (Mk 6, 3).
Aufgrund dieser Schriftstelle trägt dieser Jakobus den Zunamen „Bruder des
Herrn“, griechisch „Adelphotheos“. Wir begegnen ihm
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