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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
Autoren: Heinz Malangré
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wer?) Das ist unser Thema.
     
    Dieses Buch kann man auf
mancherlei Art lesen: etwa in der Reihenfolge der Reise von Aachen durch
Frankreich nach Spanien, oder thematisch geordnet nach Geschichte, Landschaften
und Kunst.
    So mögen Sie, lieber Leser,
Ihren Weg gehen und dem Jakobus auf der eigenen Pilgerstraße nachspüren.

1. KAPITEL

Die Wege
     
     
    Wege sind wichtig. Sie sind
nicht nur geographische Verbindungslinien zwischen zwei Punkten, nicht bloße
Überwindungen von Entfernungen und Höhenunterschieden. Wege haben auch geistige
Dimensionen.
    Wie könnten wir sonst vom
„Lebensweg“, vom „Kreuzweg“, vom „Scheideweg“, vom „guten“, vom „bösen“ Weg
reden; wie könnte gar Jesus von sich selbst sagen: „Ich bin der Weg“
(Joh 14, 6)? — Wege sind wichtig.
     
    So wollen wir denn unsere Wege
nach Santiago de Compostela beschreiben und dabei ihren geistigen Qualitäten
nachzuspüren versuchen.
    Der Pilgerweg nach Santiago de
Compostela ist in Wirklichkeit ein ganzes Wege-System. Kern dieses Systems sind
vier Pilgerstraßen durch Frankreich, die sich nach Überquerung der Pyrenäen am
Paß von Somport oder Roncesvalles in Puente la Reina vereinigen und von dort
auf der „Straße der Könige“, auch „camino francés“ genannt, nach Santiago
führen. Wir wollen das etwas genauer betrachten und beschreiben.
    Unser erster Gewährsmann ist
der Verfasser eines „Pilger-Handbuches“ aus dem 12. Jahrhundert, eines
fabelhaftwunderbaren Werkes aus dieser Zeit, des sogenannten „Codex
Calixtinus“. Diese Handschrift wird in der Kathedrale von Santiago de
Compostela aufbewahrt und berichtet in fünf Büchern vom Leben, den Wundern, den
Reliquien und der Verehrung des heiligen Jakobus, dann aber — für uns vor allem
hier wichtig — von dem „Jakobsweg“ durch Frankreich und Spanien.
    In dem Buch „Nordspanien“ von
Vera und Hellmut Hell sind die Pilgerwege des „Codex Calixtinus“ auf einer
Karte skizziert. 1 Diese Karte ist hier wiedergegeben. Sie zeigt klar die vier Pilgerstraßen durch
Frankreich:
     
    - die „Via Turonensis“, welche
von Paris über Tours nach Ostabat und von dort über den Roncesvalles-Paß führt,
     
    - die „Via Lemovicensis“ (auch
„Via Limosina“) von Vézelay in Burgund nach Ostabat,
     
    - die „Via Podiensis“ von Le
Puy nach Ostabat,
     
    - die „Via Tolosana“ von Arles
über Toulouse zum Somport-Paß.
     
    Die drei erstgenannten Straßen
treffen also bei Ostabat aufeinander und verlaufen über den Paß von
Roncesvalles ; die vierte überquert den Somport. Im nordspanischen
Puente la Reina treffen alle vier zusammen.

    Doch auch die Zubringer dürfen
wir nicht vergessen! Für die Deutschen gab es vier Sammelpunkte: Aachen, Trier,
Basel und Einsiedeln. Aachen und Einsiedeln waren die wichtigsten. Hier
strömten die Pilger aus dem Norden und Süden des deutschen Reiches zusammen,
formierten sich zu Gruppen und Prozessionen. Hier begannen Schinderei und
Ekstase, Abenteuer und Verzückung für Hunderttausende in jedem Jahr des hohen
Mittelalters. Es heißt, 200 000 Pilger seien jährlich vom Zusammenstrom der
Pilgerwege in Puente la Reina über den spanischen „Camino“, die „Straße der
Könige“, gezogen. Welche Völkerwanderung! Welche Probleme bei der Beherbergung
und Beköstigung! Welche Chance der Vergeistigung und Bekehrung! Wir werden noch
sehen, zu welch großartigen Ergebnissen diese Chancen geführt haben. Unsere
Geistesgeschichte, unsere Kunst wäre ohne sie sehr viel ärmer.
     
    Wir sprechen über die Wege.
Unsere Reise hat sich nicht streng an einen Weg gehalten. Wir sind ein
wenig „rochiert“, haben alle vier Wege berührt.
    Am sehr frühen Morgen fahren
wir in Aachen los. Wir verlassen die Stadt über die Jakobstraße, eine der
großen Straßen auf römischem Grund, welche die Stadt am Jakobstor der
mittelalterlichen Stadtmauer hinter sich ließ. Jakobstraße, Jakobstor... hier
wird die Pilgertradition deutlich. Nicht eine lokale Jakobusverehrung ist mit
diesen Namen gemeint, sondern die Funktion des Sammelns, des Sich-Sammelns zur
Jakobsfahrt ins ferne Spanien.
    An der deutsch-belgischen
Grenze fahren wir auf die moderne Autobahn — vom Mittelalter ist nicht mehr die
Rede. Die Fahrt geht über Paris und Orléans nach Vézelay im zauberhaften
Burgund, dem ersten großen Ziel und Haltepunkt unserer Reise, zugleich Anfang
der „Via Lemovicensis“.
    Schon am nächsten Tag werden
wir dem Pilgerweg von Vézelay untreu. Wir
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