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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman
Autoren: Luchterhand
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hochstieg.
    Gelblicher Staub wehte von den Reifen der Fahrzeuge in den spröden Himmel auf, und ein paar Kurven später wurde ein Wasserturm sichtbar, auf den ein grobschlächtiger Davidstern gepinselt war, gleich dahinter ein militärischer Wachturm und zuletzt die elf Wohnwagen des Siedlungsstützpunkts, verstreut um eine ringförmig angelegte Straße. Am Torkontrollposten stand der Soldat Joni mit umgehängter Waffe, eine Hand am Kolben, und empfing die Eintreffenden mit Ray-Ban-Sonnenbrille und einem knabenhaften Lächeln.
    Eine wilde Landschaft bot sich dem Blick der Ankömmlinge dar: die Wüste Judäa in ihrer vollen Pracht und Herrlichkeit und ihre dürren Hügel, das Tote Meer zu ihren Füßen verborgen, dahinter ragten am Horizont die Berge von Moab und Edom empor. Das näher gelegene Gelände war schütter mit Dörfern und Siedlungen gesprenkelt, weiter entfernt die gelbe Kuppe des Herodiums und die Häuser einer großen palästinensischen Stadt, die zum Teil in eine riesige graue Betonmauer eingewickelt waren wie ein Geschenk, das sich nicht auspacken lässt.
    Ein großes, provisorisches Schild erhob sich hinter dem Eingangstor, auf dem in etwas kindlichen Buchstaben in Hebräisch und Englisch die Worte prangten: »Willkommen in Ma’aleh Chermesch 3«.
    Die Einweihung
    Als der Renault Express von Otniel Asis sein Ziel erreicht hatte, fragte Jeff McKinley in Englisch, wo das Haus von Minister Kaufman sei. Otniel signalisierte ihm mit seinem Finger, er solle einen Moment warten, und schrie in Richtung des Hauses: »Rachel! Hol alle Kinder und kommt zur Einweihungszeremonie!« Dann sagte er zu McKinley: »You come with uns – we have American guy.«
    So schritt Jeff McKinley mit Otniel und Rachel Asis und ihren sechs Kindern zur neuen Spielplatzanlage von Ma’aleh Chermesch 3, wo bereits ein Gewimmel von Würdenträgern und Bewohnern herrschte, und dort fand sich auch der versprochene Amerikaner, Josh, der McKinley erklärte, dass Minister Kaufman in der Siedlung Jeschua wohne, direkt hier gegenüber, auf der anderen Seite des Wadis. Man könne seine Villa sehen, die mit den Dachziegeln, er deutete dorthin, weniger als einen Kilometer Luftlinie von ihnen entfernt, allerdings etliche, nicht zu vernachlässigende Kilometer Serpentinenfahrt. McKinley sah auf seine Uhr und begriff, wie sehr er sich verspäten würde. Er zog das Mobiltelefon aus der Tasche und rief den Assistenten des Ministers an, erklärte den Irrtum und bat um eine zeitliche Verschiebung, was jedoch auf Ablehnung stieß, da der Minister in circa einer Stunde in Jerusalem zu sein hatte und es absolut nicht mochte, wenn man bei ihm zu spät kam. McKinley entschuldigte sich aus tiefster Seele. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, hob er den Blick und ließ ihn über das Publikum gleiten, bis er überraschend einen hochgewachsenen Mann mit einem imposanten Bauch und dichten, sorgfältig gekämmten Augenbrauen entdeckte und zu Josh sagte: »Sagen Sie, ist das nicht Sheldon Mamelstein?«
    Die Spielplatzanlage wirkte, als wäre sie von der Hand eines riesenformatigen Monty-Python-Gottes dort abgeworfen worden oder wie ein Körperteil eines gepflegten, wohlhabenden New Yorkers, verpflanzt in den Leib eines hilflosen Wanderbeduinen: ein grünes Rasengeviert in der Größe eines Baseballplatzes, ein Gespann Holzschaukeln, die mit effektiver, geölter Geräuschlosigkeit hin- und herschwangen, eine ausgedehnte Rutschbahninstallation und drei Wippgeräte, eines in Gestalt eines Seehunds, das zweite ein Truthahn und das dritte – das vielleicht noch am besten in die Landschaft passte – ein Kamel.
    Wochenlang war an der Anlage des Spielplatzes im Zentrum von Ma’aleh Chermesch 3 gearbeitet worden – die vorbereitenden Erdarbeiten, das Auslegen der Fertigrasenschichten, das Montieren der Installationen, sogar Abfallbehälter und eine Anzeigentafel wurden aufgestellt, wie es dem neuen sozialen Aktivitätszentrum der Gemeinde gebührte –, und an diesem Tag fanden die Mühen ihren krönenden Abschluss in der offiziellen Einweihungszeremonie, in Gegenwart des Stifters, Herrn Sheldon Mamelsteins aus New York, des Besiedlungssympathisanten und Knessetabgeordneten Uriel Zur sowie lokaler Honoratioren.
    Ein frischer Wind pfiff ins Mikrophon, hinein in zwei große Lautsprecher und wieder hinaus in die kühl klare Luft der Spielplatzanlage. Dort anwesend waren die meisten Bewohner der Siedlung und ihre Gäste, an die vierzig Personen, und die Kinder rannten
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