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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung
Autoren: Burk Michael
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aus. Als Jennifer nicht antwortete, setzte er hinzu: »Ich will dir einfach so etwas ersparen, Jenny. Das ist alles, was gegen diese Audition spricht.«
    Sie schwieg noch immer. In ihr arbeitete es.
    Er sprach weiter: »Niemand zwingt dich, dein Brot mit Tanzen zu verdienen, das ist dein Glück. Ich wollte, ich hätte auch so ein Glück gehabt.« Es klang tröstend.
    Sie nahm es als Hohn und entgegnete aggressiv: »Wenn du reiche Eltern gehabt hättest, wärst du dann auch Tänzer geworden?«
    »Glaub mir, ich kenne die Seele der Tänzer zur Genüge. Ich weiß, was es heißt, zurückzustecken. Ich habe die Ulanowa erlebt, die Karsawina, die Hightower. Ich kenne die Verzweiflung, den psychischen Zusammenbruch. Ich sehe den Tänzern sozusagen ins Herz.« Sein Ausdruck war ernst.
    Sie ließ seine Antwort nicht gelten: »Wärst du dann auch Tänzer geworden?« wiederholte sie mit Nachdruck ihre Frage.
    Er nickte versunken.
    »Hättest du dann auch um eine Hauptrolle gekämpft?«
    Er reagierte nicht. Es war eine Zustimmung.
    Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke tief. Dann erhob sich Igor schwerfällig, griff sich seinen Stock, humpelte zur offenen Tür und rief in den Flur hinaus: »Alfredo übernimmt das Training. Ich bin ein paar Stunden nicht da.«
    Dann wandte er sich an Jennifer: »Bist du fertig?«
    »Ja.« Ihr war auf einmal heiß vor freudiger Erregung.
    »Okay«, tat er es sachlich ab, »ich verständige Chet, daß wir kommen.« Er meinte Chet Wilson, den Ballettmeister der Metropolitan Opera, der diese Audition leitete.
    Er humpelte zurück zum Tisch, und seine Hand ging zum Telefon. Im gleichen Augenblick läutete der Apparat. Igor hob ab, meldete sich und gab den Hörer an Jennifer weiter: »Patrick.«
    »Was gibt's?« fragte sie kurz angebunden in die Muschel hinein.
    »Ich habe eine Überraschung für dich, Jenny«, klang Patricks volle Stimme begeistert an ihr Ohr.
    Sie blieb kühl, ihre Gedanken waren bei der Metropolitan Opera. »Was ist es? Hat du einen besonders guten Abschluß gemacht?« Ironie schwang mit.
    »Venedig«, antwortete er ungerührt schwärmerisch.
    »Venedig?« Sie war gleichgültig.
    »Die Seufzerbrücke«, versuchte er ihre Erinnerung aufzufrischen.
    »Ich habe jetzt keine Zeit für irgendwelche Scherze.«
    »Es ist kein Scherz.«
    »Ich muß jetzt weg.«
    »Wann sehen wir uns? Um sieben?« Seine Frage kam geduldig.
    »Nein, heute nicht mehr.«
    Er stutzte. »Heute nicht? Was ist los mit dir?«
    »Nichts. Ich habe zu tun.«
    »Also morgen«, gab er sich mit ihrer Auskunft zufrieden, »ich hole dich am Studio ab.«
    »Nein. Ich melde mich bei dir.«
    Sie legte auf. Ihr Blick ging zu Igor. »Ich muß mich jetzt voll auf mich selbst konzentrieren, nicht auf Venedig«, sagte sie, als sei sie ihm eine Erklärung schuldig.
    »Wenn einer dich versteht, bin ich es.« Er lächelte still in sich hinein. Dann drängte er zum Aufbruch: »Wir müssen los. Chet haßt Unpünktlichkeit.«
    »Du kommst wirklich mit?« Es klang erleichtert.
    »Denk nur nicht, ich spiele Kindermädchen für dich«, sagte er betont hart, »ich möchte nur deinen Triumph erleben.« Er griff sich seinen Mantel und seine Wollmütze.
    Obwohl er den Stock brauchte, nahm er die Treppe schneller als Jennifer. Als sie aus der Tür auf die Tenth Avenue hinaustrat, hatte er ihnen schon ein Taxi herbeigewinkt.

6
    Vacas ließ den Unbekannten eintreten und verschloß die Tür wieder sorgfältig.
    Rocha sprang unwillkürlich auf. Er fühlte sich hintergangen, denn Vacas hatte ihm noch vor ein paar Minuten versprochen, daß nur drei Leute von seinem Plan wüßten: Fidel, Vacas und er selbst. Und jetzt war auf einmal dieser Fremde mit Vacas verabredet.
    So schnell er konnte, war Rocha an der Tür, bereit, den Raum wortlos zu verlassen.
    »Es ist klüger, du hörst mich an, Compañero Berto«, sagte Vacas überlegen und versperrte Rocha den Weg. Die gewöhnlich herzliche Bezeichnung ›Compañero‹ betonte er ironisch.
    Rocha war einen Augenblick lang unschlüssig. Er fuhr sich verlegen durchs dichte blauschwarze Haar und strich flüchtig über den gepflegten vollen Schnurrbart. Seine hellwachen Augen ruhten auf Vacas. Ihm war klar, daß es keinen Sinn hatte, den mächtigen Mann herauszufordern. Deshalb sagte er: »De acuerdo« und blieb starr vor ihm stehen.
    Vacas war mit der Antwort zufrieden. Er deutete auf den Fremden und stellte ihn Rocha vor: »Das ist Compañero Zenon Menendez. Er wird die Aktion in New York
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