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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Autoren: Marcel Proust
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stand wieder zahlreich . Glücklicherweise habe ich den Schaden noch rechtzeitig bemerkt. Jetzt beginnt Die Gefangene so:
    »Schon frühmorgens, den Kopf noch der Wand zugekehrt und ohne auch nur die Tönung des Lichtstreifens über den großen Vorhängen am Fenster wahrgenommen zu haben, wußte ich, wie das Wetter war. Die ersten Straßengeräusche hatten es mir mitgeteilt, je nachdem, ob sie von Feuchtigkeit gedämpft und gebrochen zu mir drangen oder wie schwirrende Pfeile im hallenden, leeren Raum eines weiten, eisigen und klaren Morgens; schon beim Rollen der ersten Straßenbahn hatte ich gehört, ob sie im Regen fröstelte oder aufbrach in azurne Bläue. Vielleicht aber war diesen Geräuschen eine schnellere, durchdringendere Emanation vorausgeeilt, war durch meinen Schlaf geglitten und erfüllte ihn mit dem Trübsinn, der den Schnee ankündigt, oder ließ ein gewisses intermittierendes kleines Wesen zum Ruhm der Sonne so harmonische Hymnen anstimmen, daß diese mir, der ich noch im Schlaf bereits zu lächeln begann und dessen Lider sich auf blendendes Licht gefaßt machten, zuletzt ein ohrenbetäubendes Erwachen bescherten, ganz in Musik.« ( Die Gefangene [20], S. 7.)
    Aus naheliegenden Gründen konnte bei der Revision beziehungsweise Neuübersetzung nicht jede einzelne Seite mit gleicher Sorgfalt und gleichem Zeitaufwand bearbeitet werden. Es kam vor, daß ich resignierte und ein Auge oder beide Augen zudrückte. Dann schlug die Stunde meiner Mitrevisorin und der Lektorin, die mir und Eva Rechel-Mertens nichts (oder beinahe nichts) durchgehen ließen.

    Beim Kommentar, dem ich mich jetzt zuwende, verhält es sich ähnlich. Gewisse Anmerkungen blieben tage-, ja wochenlang auf der Werkbank, während andere sozusagen am Fließband produziert wurden, doch auch hier fehlte es nicht an freundlich tadelnden Hinweisen seitens meiner Mitarbeiter, falls ich einmal etwas auf die leichte Schulter genommen hatte.
    In den Herausgeberverträgen zu den einzelnen Bänden der Frankfurter Ausgabe wird festgehalten, der Herausgeber solledas Werk erläutern »in einem dem Charakter einer Leseausgabe angemessenen Kommentar, wobei er Kontexte, Namen, literarische und zeitgeschichtliche Anspielungen erklärt«. Ich habe mich von Anfang an gehütet, in Erfahrung zu bringen, was eine Leseausgabe eigentlich ist. Vielleicht hätte ich sonst erfahren, es sei einer Leseausgabe nicht angemessen, wenn in Nachgeahmtes und Vermischtes alle Ruskin-Zitate peinlich genau nach der großen Werkausgabe nachgewiesen werden oder wenn im Gegen Sainte-Beuve von jedem einzelnen Fragment genau gesagt wird, in welchem Entwurfheft und auf welcher Seite die Vorlage zu finden ist. Vielleicht müßte ich mir auch sagen lassen, meine Anmerkungen zur Komposition, beispielsweise den Erzählsequenzen oder auch zu einzelnen Pointen, zur Onomastik, das heißt den Orts- und Personennamen, alles, was im Kommentar in Richtung Interpretation gehe, gehöre nicht in eine Leseausgabe. Ich hätte mich aber nicht beirren lassen, denn ich durfte erfahren, daß diese Art von Kommentar geschätzt wird. Vom ersten Band der Frankfurter Ausgabe an entspann sich zwischen Lesern und Herausgeber ein Dialog, dem ich viele Anregungen verdanke. Zuvor jedoch ist die Arbeit am Kommentar auch ein Gespräch mit meinen Mitarbeitern und Kollegen. Zu mehreren Bänden der Ausgabe gab es eine Liste mit offenen Fragen, die überallhin verschickt wurde, und von überall her sind auch Antworten eingetroffen: von Philip Kolb aus Urbana, Antoine Compagnon aus New York oder Paris, Alberto Beretta Anguissola aus Rom, Rainer Warning aus München, Karlheinz Stierle aus Konstanz.
    Bei der ersten Abteilung der Ausgabe, Freuden und Tage , Nachgeahmtes und Vermischtes sowie Essays , war die kommentatorische Arbeit besonders aufwendig, da die französischen Vorlagen nur sehr sparsam und etwas zufällig kommentiert sind. Unzählige Namen, Titel, Zitate und Anspielungen mußten identifiziert und nachgewiesen werden. Bei den Pastiches habe ich außerdem in den Anmerkungen auch den pastichierten Autor ausgiebig zu Wort kommen lassen.
    Bei den Bänden der dritten Abteilung, Jean Santeuil und Gegen Sainte-Beuve, hat mir Mariolina Bongiovanni Bertini die kommentatorische Knochenarbeit abgenommen. Ich konntemich für Jean Santeuil auf einige Anmerkungen zur Malerei und für den Gegen Sainte-Beuve auf den textphilologischen Kommentar beschränken.
    Bei der zweiten Abteilung, das heißt der Recherche , liegen die
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