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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Autoren: Marcel Proust
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Dinge etwas anders. Seit Daria Galateria und Alberto Beretta Anguissola 1983 für die Reihe I Meridiani bei Mondadori ihren monumentalen Kommentar der Recherche in Angriff genommen haben, hat das Korpus der Proust-Kommentare ein beträchtliches Volumen erreicht. Es gibt heute neben der Frankfurter Ausgabe nicht weniger als sechs kommentierte Ausgaben der Recherche : Mondadori, GF, Pléiade, folio, Bouquins und Livre de poche. Trotzdem beschränkte sich meine Arbeit beim Kommentieren keineswegs aufs Auswählen und Abschreiben – im Gegenteil.
    Als Beispiel kommentatorischer Knochenarbeit in der ersten Abteilung verweise ich auf den von Proust für Le Figaro verfaßten Artikel »Sohnesgefühle eines Muttermörders« von 1907 ( Nachgeahmtes und Vermischtes [14], S. 211-212) und die dazugehörigen Anmerkungen 5, 6 und 7. Die Pléiade-Ausgabe gibt zu dieser Textpassage eine einzige Anmerkung. Sie betrifft den Vers »Et de longs fils soyeux l’unissent aux étoiles« und besagt, man habe die Quelle des zitierten Verses nicht ausfindig machen können. Der Kommentar der Frankfurter Ausgabe gibt Informationen über André Rivoire (Anmerkung 5), Framery, Pelletan und Brissaud (Anmerkung 6, wobei es ihm gut angestanden hätte, über Framery etwas weniger knapp zu berichten); außerdem identifiziert er den von Sully Prudhomme stammenden Vers (Anmerkung 7) und zeigt dessen Bedeutung in der Dichtung um 1900.
    Kommentatorische Knochenarbeit findet sich auch in der dritten Abteilung, beispielsweise in den Anmerkungen Mariolina Bongiovanni Bertinis zu den Kapiteln über die Dreyfus-Affäre oder zu dem Skandal um Charles Marie in Jean Santeuil oder auch im Nachwort zum Gegen Sainte-Beuve . Ich begnüge mich mit einem allgemeinen Hinweis auf diese Beispiele und wende mich noch einmal der Recherche zu.
    Sogar bei der Arbeit an Sodom und Gomorrha , jenem Band der Recherche , der doch von Antoine Compagnon zweimal, in der neuen Pléiade und in folio, ausführlich und vorbildlichkommentiert wurde, blieb ich am Ende auf einer Liste mit Fragen sitzen. Eine betraf den ausdrücklich als solchen und mit Anführungszeichen als Zitat bezeichneten Halbvers: »Puis règne Mérovée« ( Sodome et Gomorrhe [3], Bd. III, S. 230 – Sodom und Gomorrha [19], S. 348), eine andere den in Anführungszeichen gesetzten Schluß, die Pointe eines Abschnitts über das Automobil, das »uns dazu verhilft, mit verliebt sich vortastender Hand und mit noch feinerer Präzision der wahren Geometrie nachzuspüren, dem schönen ›Maß der Erde‹« ( Sodom und Gomorrha [19], S. 596 – Sodome et Gomorrhe [3]. Bd. III, S. 394). Mehr Erfolg als bei den zünftigen Proustiens – sogar Antoine Compagnon mußte passen – hatte ich mit meinen Fragen bei meinen Zürcher Kollegen. Luciano Rossi erkannte in dem Halbvers ein Zitat aus Le Livre de mon ami von Anatole France; und von dem Altphilologen Christoph Riedweg mußte ich mir sagen lassen, mesure de la terre sei nicht ein verstecktes Zitat, sondern die wörtliche Bedeutung des Begriffs Geometrie. Geblendet von der Nähe zu Maeterlincks Essay über das Automobil hatte ich, gleich meinen Vorgängern, das Naheliegende nicht wahrzunehmen vermocht. Die Anspielung auf den Antiquitätenhändler aus Zürich (vgl. Sodom und Gomorrha [19], S. 13) bleibt aber auch in Zürich weiterhin ein Rätsel. Ich bin der Sache zwar auf der Spur; am Ziel aber bin ich noch nicht. Zur Ehrenrettung der Proust-Kommentatoren sei hinzugefügt, daß Antoine Compagnon mir buchstäblich in letzter Minute eine letzte (in seinen Ausgaben seither nachgetragene) Anmerkung zu Sodom und Gomorrha signalisiert hat. Mit »scène grelottante et déserte« bringt Proust auf der letzten Seite des Bandes Baudelaire ins Spiel, nämlich die Verse 25 und 26 aus dem Gedicht »Le Crépuscule du matin«: »L’aurore grelottante en robe rose et verte / S’avançait lentement sur la Seine déserte.«
    Baudelaire auf der letzten Seite von Sodom und Gomorrha , sozusagen als Pointe; Baudelaire als Begleiter, als Schutzengel, wenn es gilt, wie in der Schlußszene von Sodom und Gomorrha , die Tiefen der Seele zu durchmessen … Wenn ich im Kommentar der Frankfurter Ausgabe zurückblättere, so stoße ich auf Anmerkungen, die Baudelaire in ähnlicher Position und ähnlicher Funktion zeigen, Anmerkungen zu »MelancholischeSommertage in Trouville« und zum Briefroman im ersten Band ( Freuden und Tage [13], S. 104-105, Anm. 11-13, und S. 270, Anm. 7) oder zur ersten Begegnung
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