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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
Autoren: Bettina Gaus
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versorgte ihn mit Fachbüchern. »Das hat mir so gut gefallen, dass ich dann Zoologie, also Fischwissenschaft, und Meereskunde am College belegt habe.« Eineinhalb Jahre hat er studiert. »Mir ging es nicht um einen Abschluss, sondern darum, besser zu werden in dem, was ich tue.«
    Fred macht seine Arbeit aber nicht nur deshalb Freude, weil ihn das Fachgebiet interessiert: »Hier treffe ich Leute aus der ganzen Welt mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen. Mit manchen Besuchern komme ich ausführlich ins Gespräch, und ich habe sogar neue Freunde gefunden, die meine Frau und mich regelmäßig besuchen, wenn sie hier Ferien machen.«
    Der Wächter der Rochen ist keine Ausnahme. Überall in den USA bin ich unterwegs älteren und alten Menschen begegnet, die in ganz unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlich tätig sind. Fred hält das für selbstverständlich: »Viele Leute haben eben das Gefühl, dass sie der Gesellschaft etwas von dem zurückgeben sollten, was sie selbst in ihrem Leben bekommen haben. Mir geht das auch so. Und was wäre dafür besser geeignet als ein Platz, zu dem Kinder kommen, um etwas zu lernen und Spaß zu haben? Ich mache das hier wirklich hingebungsvoll.« Ganz ähnlich hat sich ja auch Stanley Stadig in dem Baumwollmuseum in Bishopville geäußert.
    Auch in Deutschland spielen ehrenamtliche Tätigkeiten eine große Rolle. Etwa ein Drittel der Bevölkerung engagiert sich unentgeltlich in Vereinen, bei der Kirche oder in karitativen Organisationen, darunter immer mehr ältere Menschen. Allerdings sinkt der Anteil der Ehrenamtlichen bei uns im Alter von 60 Jahren dennoch weiterhin rapide ab, also etwa zeitgleich mit dem Abschied von der Erwerbstätigkeit. Gleichzeitig steigt bei dieser Altersgruppe die Spendenbereitschaft. Ältere Ehrenamtliche leben häufiger in kleinen Orten als in Großstädten, und oft sind sie schon seit Jahren in die Organisation hineingewachsen, in der sie dann bestimmte Aufgaben übernehmen. Anders ausgedrückt: Wenn Deutsche in ihrer Heimatgemeinde verwurzelt sind und dort ein fest geknüpftes Netz sozialer Kontakte haben, dann dürfen sie sich auch im Alter noch nützlich machen, falls sie das wünschen. Ist das nicht der Fall, dann haben sie es offenbar schwer, nach dem Ende der Berufstätigkeit ein neues Betätigungsfeld zu finden. Der Griff zum Überweisungsformular genügt, schönen Dank.
    Das scheint in den USA anders zu sein. Viele Ehrenamtliche, mit denen ich dort gesprochen habe, sind ebenso wie Fred Bamonte erst nach dem Beginn des Rentenalters dahin gezogen, wo ich ihnen begegnet bin, und die freiwilligen Tätigkeiten erfüllen unter anderem den Zweck, ihnen die Eingewöhnung in die neue Umgebung zu erleichtern. Ohnehin ist Mobilität im Alter nicht so ungewöhnlich wie bei uns. Wovon ja ganze Landstriche profitieren. Ein Blick nach Florida genügt.
    Die Vereinigten Staaten gelten in besonders hohem Maße als jugendverliebt, und die ausführliche Berichterstattung über Schönheitsoperationen oder aufwendige Werbekampagnen für Kosmetika, die angeblich den Alterungsprozess aufhalten können, scheinen dieses Urteil zu bestätigen. Einerseits. Andererseits sind die Alten meinem Eindruck nach dort viel stärker in die Gesamtgesellschaft, also auch in das Leben der Jungen, integriert als bei uns – was sich übrigens zu meiner Überraschung auch auf dem Bildschirm widerspiegelt: Die beliebtesten Moderatorinnen und Moderatoren des US-Fernsehens sind deutlich älter als ihre Kolleginnen und Kollegen bei den großen deutschen Sendern.
    Auf meiner Reise bin ich wieder und wieder mit älteren Leuten ins Gespräch gekommen. Niemals deshalb, weil ich etwas über die Vergangenheit und ihr früheres Leben erfahren wollte – wenn sich das ergab, auch gut –, sondern stets, weil mich das interessierte, was sie gerade taten. In der Gegenwart. Neidisch und bewundernd habe ich überall in den USA fröhliche, gut informierte, aktive Rentner beobachtet und dabei an die große Zahl ihrer Altersgenossen in Deutschland gedacht, die sehnsüchtig auf seltenen Besuch warten und, da sie kaum etwas erleben, auch wenig andere Themen kennen als bessere frühere Zeiten und die eigenen Krankheiten. Vorbild USA? In dieser Hinsicht vielleicht.
    Irgendetwas machen wir falsch, und irgendetwas machen die Vereinigten Staaten offenbar richtig im Hinblick auf eines der großen Themen unserer Zeit. Altersdiskriminierung sei hier nicht so verbreitet, wurde mir mehrfach von europaerfahrenen
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