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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers
Autoren: Peter Watt
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Augenblick war das unwichtig. Sie würde Patrick wiedersehen, und sie wusste, dass sie seine Frau werden würde.
    Als sie die Briefe nahm, die Enid ihr reichte, hatte sie für einen flüchtigen Augenblick das Gefühl, ihre Gastgeberin würde gleichzeitig ihre beste Freundin und ihre schlimmste Feindin werden.

68
    Der Planwagen war bis auf die Achsen abgebrannt. Patrick stand an dem Ort, an dem sich sein Vater dem Burenkommando zur letzten Schlacht entgegengestellt hatte. Hie und da glitzerte im langen Gras eine verbrauchte Winchester-Patronenhülse in der Sonne. Jetzt, wo die Sonne auf das wogende Grasmeer des afrikanischen Veld schien, wirkte alles so unwirklich. So friedlich, als wäre nichts geschehen.
    Neugierig sahen sich die zehn berittenen britischen Soldaten hinter ihm auf der Ebene um. Der Truppenkommandeur des Außenpostens De Aar, Lieutenant Croft, hatte ihnen die Situation geschildert: ein einzelner Mann gegen einen Trupp schwer bewaffneter Niederländer. Der Ausgang war unvermeidlich, wenn man bedachte, wie lange der junge Australier gebraucht hatte, um vom Kraal des Zuluhäuptlings Mbulazi aus den Außenposten der britischen Armee zu benachrichtigen.
    »Es sieht so aus, als wären wir zu spät gekommen, Captain Duffy«, sagte der junge Lieutenant mitfühlend. »Ich habe Ihren Vater persönlich gekannt und sehr geschätzt.«
    Patrick antwortete nicht, sondern starrte nur auf den Wagen. Es waren keine Leichen zu sehen und, abgesehen von den verbrauchten Patronenhülsen, kaum Anzeichen für einen erbitterten Kampf. Als er den Bereich absuchte, in dem die meisten Patronenhülsen lagen, fand er kein Blut. Allerdings war das nicht weiter überraschend, nachdem er drei Tage gebraucht hatte, um die britische Militärpatrouille in der Stadt zu alarmieren und herzuführen.
    »Wir werden natürlich Untersuchungen anstellen«, erklärte der Lieutenant, »aber diese verdammten aufrührerischen Niederländer werden behaupten, sie hätten ihre Farmen niemals verlassen. Das ist ein unfreundliches Volk.«
    »Vielleicht sollten Sie auch Erkundigungen einziehen, ob jemand meinen Vater gesehen hat, Mister Croft«, antwortete Patrick, der in die Sonne am fernen Horizont starrte. »Ich bezweifle, dass er tot ist.«
    Der Offizier nickte, aber er war nicht überzeugt. Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken. »Das werde ich tun, Sir, aber in der Zwischenzeit bringt es nicht viel, wenn wir hier bleiben.«
    Patrick ging zu dem Pferd zurück, das ihm die Armee zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem er sich in den Sattel geschwungen hatte, gab der Lieutenant Befehl, nach De Aar zurückzukehren. Er konnte nicht viel mehr tun, als über den Vorfall Bericht zu erstatten und der örtlichen Polizei die Ermittlungen zu überlassen. Vielleicht gelang es dieser zumindest, über ihre Informanten in Erfahrung bringen, wo der Ire begraben lag. Denn der junge englische Offizier war davon überzeugt, dass niemand, so gut er auch sein mochte, den Angriff eines zu allem entschlossenen Burenkommandos überlebte.
    Sag deiner Mutter, dass du sie liebst … In Gedanken hörte Patrick auf dem Ritt nach De Aar immer wieder die Worte seines Vaters. Warum hatte er Michael nicht gefragt, ob er seine Mutter geliebt hatte? Aber er hatte viele Fragen nicht gestellt. Vielleicht war es angesichts der feindlichen Übermacht dumm, dass er den Tod seines Vaters nicht akzeptieren wollte. Warum hatte er sich beim Aufbruch nicht eingestehen wollen, wie unwahrscheinlich es war, dass er seinen Vater lebend wiedersah? Ihre tapferen, optimistischen Worte beim Abschied hatten keinen der beiden getäuscht. Tief im Inneren hatten sie gewusst, dass sie einander in dieser Welt voll Licht und Schatten vermutlich nie mehr begegnen würden. Fühlte er sich schuldig, weil er überlebt hatte und sein Vater nicht? Wollte er deshalb nicht zugeben, dass sein Vater tot war? Hatte er nicht in der Ferne wildes Gewehrfeuer aus der Richtung des Planwagens gehört, als er in der Dunkelheit im Fluss trieb? Dann hatte sich eine entsetzliche Stille über das Veld gesenkt.
    Vielleicht war sein Vater tot – aber die Erinnerung an den großen, starken Mann mit der Augenklappe würde weiterleben. Solange er ihn nicht vergaß, würde er immer bei ihm sein, dachte Patrick, auch wenn er nicht untröstlich vor Kummer war. Dazu hatte er Michael zu wenig gekannt. Alles, was er über seinen Vater wusste, hatte er in den kurzen, traumatischen Stunden unter dem Beschuss der Niederländer
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