Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
gegangen war, hatte man ihn automatisch als Fährtenleser der Patrouille zugewiesen, während Gordon Offizier wurde. Schließlich war Gordon der Sohn des berühmten Sergeant Henry James, der vor vielen Jahren maßgeblich an der Vertreibung der Eingeborenen aus dem Fitzroy-Gebiet beteiligt gewesen war.
    Zunächst hatte es Peter zu schaffen gemacht, dass ein Trupp der berittenen Eingeborenenpolizei sechzehn Jahre zuvor in Burkesland seine Eltern getötet hatte. Doch die Loyalität zu seinem besten Freund war stärker gewesen als die ferne, verschwommene Erinnerung. Er war jung, für ihn zählte die Gegenwart, und er sehnte sich nach Abenteuern.
    Als er jetzt zu den fernen Bergen hinüberblickte, war er überzeugt davon, dass die Spuren zum Heiligtum in den Hügeln führten. Das gefiel ihm gar nicht. Sein Instinkt sagte ihm, dass sich in dem in der Hitze flimmernden Dunst über den zerklüfteten Felsen der uralten Berge eine tödliche Bedrohung verbarg, sie schien geradezu in der Luft zu liegen. Die Stille wirkte Unheil verkündend, als wären die Felsengeister verstummt, um auf das Schnauben der Pferde und das Klirren der metallenen Sattelbeschläge zu lauschen. In den Ohren des jungen Polizisten lag ein Dröhnen, das den Tod prophezeite.
    »Und, Trooper Duffy, was sehen Sie?«, erkundigte sich Unterinspektor Potter gereizt von seinem Pferd herab. Der lange Ritt war fatal für seine Hämorrhoiden gewesen, und die ergebnislose Jagd nach den flüchtigen Kriegern hatte auf seine Stimmung geschlagen. Das ließ er nun an seinen Männern aus.
    »Nichts Gutes, Mahmy«, gab Peter nachdenklich zurück. »Ich glaube, die Kalkadoon wollen, dass wir ihnen folgen.«
    »Blödsinn!«, schnaubte der Unterinspektor. »Schwarze sind nicht in der Lage, wie Weiße eine militärische Strategie zu planen. Sie sind übervorsichtig, Trooper!«
    Peter wandte das Gesicht ab, damit der Polizeioffizier die Verachtung in seiner Miene nicht sah. Hätte doch nur Gordon James, mit dem er seit ihrer Kindheit befreundet war, die Patrouille befehligt und nicht dieser aufgeblasene Idiot. »Wir sollten uns da nicht hineinwagen, Mahmy«, sagte er ruhig. »Ich glaube, sie warten auf uns.«
    Ihm war klar, dass der Offizier ihn nicht ausstehen konnte, weil er ein Halbblut war, das Produkt einer abscheulichen Sünde in den Augen des Herrn.
    Der Inspektor hatte heftig dagegen protestiert, dass Peter seiner Einheit zugewiesen wurde. Nein, er wolle ein Vollblut als Fährtenleser, nicht irgendeinen braunen Mischling! Aber der Mischling hatte Freunde bei der berittenen Polizei, die darauf bestanden, dass er den Posten erhielt. Jetzt mussten sie miteinander auskommen.
    Die europäischen Polizisten blickten sich unruhig um. Sie respektierten den jungen Fährtenleser, der »fast ein Weißer« war, wie sie scherzhaft sagten. Wenn Peter meinte, sie sollten sich nicht in die engen, mit Buschwerk bedeckten Schluchten des Massivs wagen, dann glaubten sie ihm. Wie Peter Duffy hielten auch sie wenig von ihrem arroganten Kommandeur, der bis vor kurzem noch bei der britischen Armee in Indien gedient hatte.
    Die Aborigines unter den Polizisten wussten, dass Peter Recht hatte. Nervös an ihren Snider-Karabinern herumfingernd, suchten sie mit den Blicken Hänge und Bergkuppen nach den gefürchteten Kalkadoon-Kriegern ab. Diese Vertreibungsaktion würde sich als Fehlschlag erweisen.
    Inspektor Potter schlug nach den Fliegen, die in dichten Schwärmen um sein Gesicht schwebten und es auf seinen Schweiß abgesehen hatten. Er hatte bereits beschlossen, seinen Fährtenleser zu ignorieren. Den verteufelten Kalkadoon würde er es schon zeigen! Noch ein Weißer sollte ihren Speeren nicht zum Opfer fallen. Seine Männer würden in die Berge gehen.
    Falls die Kalkadoon wirklich auf sie warteten, würden die Wilden eine unangenehme Überraschung erleben. Auch ihre massiven Holzschilde konnten die Kugeln aus den Karabinern der Beamten, die im Namen von Königin Viktoria in Queensland für Gerechtigkeit sorgten, nicht aufhalten.
    »Vorwärts!«
    In Inspektor Potters Stimme lag Verachtung für alles, das nach gesundem Menschenverstand roch.
    Peter schwang sich in den Sattel und zog den Karabiner aus der Halterung. Er legte den Kolben auf seinen Oberschenkel. Das tödliche Schweigen der Berge gellte ihm in den Ohren wie ein Todesschrei.
     
    Schweigend ritten sie dahin.
    Es gab kein nervöses Wortgeplänkel, während sie den Spuren folgten, die Peters scharfe Augen auf dem trockenen Boden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher