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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers
Autoren: Peter Watt
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Australier.«
    »Ein Australier! Ich wusste gar nicht, dass solch ein Wesen existiert«, meinte der Priester mit ironischem Lächeln. »Doch das dürfte erklären, warum ein Ire mit englischem Akzent spricht und sich dennoch seine Identität bewahrt hat. Immerhin stammen Sie aus einem Land, das sich gegen die Besetzung dieser heiligen Gestade ausgesprochen hat.«
    »Meine Familie hat dieses Dorf in den Fünfzigerjahren verlassen. Patrick und Elizabeth Duffy waren meine Großeltern väterlicherseits«, erwiderte Patrick nicht ohne Stolz. Schließlich wusste er aus den Geschichten, die im Erin kursierten, dass sein Großvater in seinem Geburtsort eine Art Legende war.
    Als Soldat der Armee Ihrer Majestät hatte er deswegen immer ein schlechtes Gewissen gehabt, denn die rebellischen Iren waren eine beständige Geißel der Streitkräfte des Empire. Ihr lächerliches Streben nach Unabhängigkeit band wertvolle militärische Ressourcen.
    »Dann bist du also nicht Patrick Duffy selbst!«, stieß Mary Casey erleichtert hervor. Bis dahin hatte sie immer noch die abergläubische Furcht geplagt, sie hätte es mit einem Geist zu tun, den es an den Ort seiner Jugend zog. »Gott sei Dank!«
    Diese rätselhafte Bemerkung trug ihr fragende Blicke von Priester und Soldat ein.
    Vater O’Brien, dem Patricks überraschte Miene nicht entgangen war, griff ein, um ihn von seiner Verwirrung zu erlösen. Immerhin war er mit der seltsamen Art seiner Pfarrkinder vertraut. »Dann statten Sie uns wohl einen Besuch ab, Mister Duffy. Eine Pilgerfahrt, könnte man sagen.«
    »Das trifft es am besten.«
    »Ich habe von Ihrem Großvater gehört«, fuhr Eamon fort. »Es heißt, er habe mit Peter Lalor bei den Palisaden von Eureka gegen die britische Armee gekämpft. Die wilden Schwarzen sollen ihn in Australien getötet haben.«
    Patrick fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, um den Schweiß wegzuwischen. »Ja, das stimmt«, erwiderte er. »Er gehörte zu den aufständischen Bergleuten, die sich bei Ballarat der Revolverschützenbrigade der California Rangers angeschlossen haben.«
    »Dann wird man Sie in allen Pubs hier willkommen heißen.«
    »Das bezweifle ich, Vater.« Patrick schüttelte betrübt den Kopf. »Ich bin Captain der Armee der Königin.«
    Der Priester starrte seinen Gast an.
    Das erklärt die Sonnenbräune, dachte er – ein Feldzug in irgendeinem fernen, gottverlassenen Land. »In ausländischen Armeen zu kämpfen hat hier eine lange Tradition«, sagte er mitfühlend. »Viele junge Männer aus dem Dorf waren beim Militär, viele haben unter dem Union Jack gedient. Für einen Iren ist es wahrscheinlich egal, für wen er kämpft, wenn es nur eine ordentliche Prügelei gibt. Aber«, setzte er warnend hinzu »vielleicht sollten Sie nicht erwähnen, dass Sie Offizier sind. Ihr Akzent weist Sie ohnehin als Engländer aus.«
    Patrick nickte. Engländer, Iren, Schotten … in seinen Adern floss das Blut von Kelten, Angeln und Sachsen. Nicht zu vergessen den französischen Einschlag vonseiten seiner Großmutter väterlicherseits. Das war typisch für sein Land, sinnierte er. Er war als Australier geboren, und in Eton hatte er die Ehre seines Landes mehr als einmal mit den Fäusten verteidigt, obwohl er viele Jahre nicht mehr dort gewesen war. Vielleicht war es sein übermächtiges irisches Blut, das keine abwertenden Bemerkungen über seine Herkunft aus den Kolonien vertrug. Gleichzeitig aber war er unbändig stolz auf seine angloschottischen Vorfahren.
    Mary servierte Patrick die dampfende Suppe in einer angeschlagenen Porzellanschüssel. Er blickte zu ihr auf und bedankte sich mit seinem besten irischen Akzent. »Du lieber Himmel, Mrs. Casey, das riecht ja wie bei meiner guten, alten Tante, Gott hab sie selig!« Dabei zwinkerte er ihr spitzbübisch grinsend zu.
    Mary gluckste vor Entzücken. »Nun hör aber auf, Paddy Duffy!« Ihre Stimme klang wie die eines jungen Mädchens, als sie dem gut aussehenden Enkel des alten Patrick einen neckischen Schubs versetzte. »Du willst dich doch wohl nicht an eine ehrbare Frau wie mich heranmachen!« Der vertrauliche Ton versetzte die Alte in eine andere Zeit zurück, in der der Großvater des Jungen sie in seine Arme gerissen hatte, um ihr einen kuss zu rauben. Alte Erinnerungen in einer neuen Zeit.
    »Na, und ob ich das will, Mary Casey, aber vielleicht hat Vater O’Brien was dagegen.«
    Die herausfordernde Bemerkung seiner Haushälterin und die respektlose Art, wie Patrick sie ermutigte, waren
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