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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers
Autoren: Peter Watt
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hatten sich geweigert, seine Frau zu akzeptieren. Nicht nur, dass Jennifer keine Jüdin war – sie hatte außerdem ein uneheliches Kind. Die schlimmsten Befürchtungen der beiden bestätigten sich, als sie sich auch noch weigerte, ihre Kinder im Sinne von Bens Religion aufzuziehen.
    Ben hatte Jenny am Palmer kennen gelernt. Damals war sie ein schmutziges, unterernährtes junges Mädchen gewesen. Das schweigsame Kind, das sie im Schlepptau hatte, war das Produkt einer entsetzlichen Untat. Jenny war Bens erste und einzige Liebe.
    Sie erwiderte Bens Gefühle, aber ihre Zuneigung war eher spirituell als körperlich. Doch obwohl es ihr an körperlicher Leidenschaft mangelte, wusste er, dass sie für ihn tiefe Liebe empfand, und verlor nie die Geduld. Einmal hatte Kate angedeutet, dass Jennifer als Kind in Sydney auf furchtbare Weise missbraucht worden war, aber sie selbst sprach nie darüber und Ben fragte nicht.
    Als Ben jetzt in der Ferne das Donnern von Pferdehufen hörte, ließ er den schweren Hammer sinken, mit dem er die Stangen zusammennagelte. Das konnte nur sein Adoptivsohn sein, Willie, der sich da in vollem Galopp näherte. Fluchend schwor er sich, ihm die Leviten zu lesen, weil er das Tier so hetzte.
    »Ben!« Der junge Mann schien sehr aufgewühlt, was bei ihm nicht oft vorkam. Mit seinen sechzehn Jahren hatte Willie so viel Schreckliches erlebt, dass er nur selten die Fassung verlor.
    Ben reckte den schmerzenden Rücken und blickte dem Jungen entgegen, der sein Tier auf der anderen Seite der Koppeln gezügelt hatte. Gewandt sprang Willie vom Pferd, um seinem hoch gewachsenen, bärtigen Adoptivvater Bericht zu erstatten. »An der Westgrenze lagert eine große Gruppe von Schwarzen, die ziemlich kriegerisch aussehen«, berichtete er außer Atem. Es klang, als wäre er die sechs Kilometer von dem trockenen Wasserlauf, der die westliche Grenze von Bens Besitz markierte, hergerannt. »Fünfzig, vielleicht hundert«, stieß er mit einer Mischung aus Aufregung und Furcht hervor.
    »Hast du Gins und Piccaninnies bei ihnen gesehen?«, fragte Ben gelassen. Die beiläufig gestellte Frage wirkte beruhigend auf den jungen Mann, der sich angesichts der Souveränität des Älteren ein wenig kindisch vorkam.
    »Ja, sie haben Frauen und Kinder dabei.«
    »Dann stellen sie für uns vermutlich keine unmittelbare Gefahr dar«, schloss Ben. »Aber wir gehen besser kein Risiko ein.«
    Willie nickte. Er vertraute Bens Entscheidungen vollkommen, der im Lauf der Zeit für ihn fast wie ein richtiger Vater geworden war. Wer sein leiblicher Vater war, wusste er immer noch nicht. Seine Mutter weigerte sich, darüber zu sprechen, und von Ben erfuhr er auch nichts.
    »Zeit für eine Tasse Tee.« Mit diesen Worten schwang sich Ben den Hammer über die Schulter und ging in Richtung der kleinen Rindenhütte, die ihr Heim war. Willie folgte ihm und band sein Pferd an dem Geländer vor der Hütte an.
     
    Drinnen im Haus knetete Jenny Teig für einen Brotlaib. Der Schweiß lief ihr in Rinnsalen über das Gesicht, und der Knoten, zu dem sie ihr Haar aufgesteckt hatte, löste sich allmählich auf. Die Zeit und das harte Leben an der Grenze hatten ihre prächtigen goldenen Zöpfe mit grauen Strähnen durchzogen. Längst hatte sie jeden Versuch aufgegeben, das große, erdbeerförmige Muttermal auf ihrer linken Wange zu verstecken, und eigentlich hatte sie vergessen, dass es überhaupt existierte.
    Ben sagte ihr immer wieder, dass sie die schönste Frau der Welt sei, obwohl ihr bewusst war, dass ihre schmale Taille an Umfang zugenommen hatte, seit sie sich vor vielen Jahren kennen gelernt hatten.
    Rebecca, ihr jüngstes Kind, saß an der grob behauenen Tischplatte und knetete wie ihre Mutter einen Laib, der allerdings etwas kleiner war. Obwohl sie erst vier war, konnte sie bereits kochen. Sie sah zu den beiden Männern auf, die den Eingang verdunkelten, wandte sich dann jedoch wieder dem Brotbacken zu.
    »Wo sind Saul und Jonathan?« Ben bemühte sich, so ruhig wie möglich zu klingen.
    Jenny hielt in ihrer Arbeit inne und strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht, wobei ein wenig Mehl an ihrer Nase hängen blieb. Die Sorge verdüsterte ihre Augen, als sie ihren Ehemann anstarrte. »Warum? Was ist passiert?«
    »Nichts. Ich wollte nur wissen, wo die Jungen sind.«
    »Sie sind mit den Hunden in den Busch gegangen, um nach wildem Bienenhonig zu suchen.«
    »Ich hab an dem ausgetrockneten Bachbett eine Gruppe Schwarzer gesehen. Sind sie in die
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