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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers
Autoren: Peter Watt
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gehörte er nicht. Lady Macintosh bluffte. Plötzlich wurde Catherine klar, dass sie an einem Spiel beteiligt war, über dessen Preis noch nicht entschieden war. »Dürfte ich vielleicht Mister Duffys Brief lesen?«, erkundigte sie sich, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Ich fürchte, der Inhalt von Mister Duffys Schreiben ist privat.« Das bestätigte ihre Vermutung. »Ich würde das Schreiben lieber vernichten, als es Patrick sehen zu lassen.«
    »In diesem Fall«, konterte Catherine, »bleibt mir nichts anderes übrig, als Patrick meine Affäre mit seinem Vater zu gestehen und zu hoffen, dass er mir verzeihen kann.«
    Einen flüchtigen Augenblick lang blickte Enid schockiert drein, doch sie fasste sich schnell und parierte den geschickt geführten Schlag. Die junge Frau war wesentlich klüger, als sie vermutet hatte. Prinzipiell war das ein gutes Zeichen. »Ich bezweifle, dass das nötig sein wird, Miss Fitzgerald. Ich habe keinerlei Absicht, meinen Enkel von Ihrer Untreue zu berichten.«
    »Ich möchte nicht unhöflich scheinen, Lady Macintosh, aber Untreue kann es nur in einer Ehe geben«, unterbrach Catherine sie mit der Andeutung eines gewinnenden Lächelns. »Patrick und ich sind noch nicht verheiratet, doch das werden wir hoffentlich nach seiner Rückkehr aus Afrika nachholen.«
    Das verflixte Mädchen war gut. Sie erinnerte Enid an sich selbst in diesem Alter. Eine starke Frau, die für Patrick zum Leitstern werden konnte. Dazu brauchten sie nur eine stillschweigende Vereinbarung, dass ihre zukünftige Schwiegertochter ihre große Vision für das zwanzigste Jahrhundert unterstützte. Das könnte die Richtige sein, dachte sie. Immer weniger bedauerte sie, dass sie Michael Duffys Rat gefolgt war, Kontakt mit Catherine aufzunehmen und sie nach Sydney einzuladen. Sein Brief war im Übrigen eher eine Bitte gewesen, vergangenes Unrecht wieder gutzumachen und den beiden jungen Leuten ein glückliches Leben zu ermöglichen. Mit keinem Wort war von einer Affäre die Rede.
    Deswegen hatte Enid ein Telegramm nach Griechenland geschickt, in dem sie die völlig verwirrte Catherine einlud. Irgendwie hatte diese gewusst, dass eine Verbindung zu Michaels plötzlichem Verschwinden bestand, aber erst jetzt hatte sie erfahren, dass Patrick ihr nach Irland geschrieben und ihr Großvater die gesamte Post abgefangen hatte. Die Zeit war gekommen, dem Schicksal zu gehorchen, nach dem es Morrigan bestimmt war, ihren Cuchulainn zu heiraten. Doch dazu musste sie die furchteinflößende Frau für sich gewinnen.
    »Lady Macintosh«, sagte sie daher leise mit geheuchelter Bescheidenheit, »mir ist klar, dass Sie mich vielleicht nicht für die richtige Frau für Patrick halten, aber Sie sollen wissen, dass uns ein grausames Schicksal getrennt hat und dass wir trotzdem nahe daran sind, uns wiederzufinden. Doch wenn ich das Gefühl hätte, dass meine Anwesenheit Zwist zwischen Ihnen und Ihrem Enkel säen würde, würde ich Ihr Haus sofort verlassen. Ich liebe Patrick von ganzem Herzen und weiß, dass ich an seiner Seite und mit Ihrer Hilfe zum Ruhm des Namens Macintosh beitragen könnte. Doch diese Entscheidung überlasse ich in aller Demut Ihnen.«
    »Besuchen Sie regelmäßig eine protestantische Kirche?«, wollte Enid wissen.
    »Ich gehöre der Kirche von Irland an«, erwiderte Catherine und war etwas verwirrt, als Enid lächelte.
    »Die Anglikaner sind kaum besser als die Papisten«, meinte sie. »Und ich fürchte, falls Sie und Patrick eine Tochter haben, könnte sie eine ebenso gute Schauspielerin werden wie ihre Mutter.« Catherine wollte protestieren, aber Enid schnitt ihr das Wort ab. »Keine Angst, ich will nicht, dass Sie gehen. Offensichtlich überrascht Sie das. Meine Entscheidung hat viel mit vergangenem Unrecht zu tun. Ich glaube, Sie und ich haben gemeinsame Interessen, die uns am Herzen liegen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass mein Enkel eine kluge Wahl getroffen hat.« Sie legte eine Pause ein und griff nach den Briefen auf dem Schreibtisch. »Vielleicht wollen Sie sie lesen, wenn Sie aus dem Hotel in mein Haus gezogen sind, um auf Patricks Rückkehr zu warten. Ihre Anwesenheit ist sicher das schönste Geschenk, das ich meinem Enkel machen kann, wenn er zurückgekehrt ist.«
    Catherine wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, überlistet worden zu sein, aber sie war sich nicht sicher. Ein Geschenk … die Worte hatten einen besitzergreifenden Beigeschmack, doch im
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