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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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ein, weil sie durch das helle Licht der
Kerzen und Fackeln wie am Mittag leuchtet. Dorthin begeben sich Arme, Reiche,
Räuber, Reiter, Fußgänger, Fürsten, Blinde, Gelähmte, Wohlhabende, Adlige,
Herren, Vornehme, Bischöfe, Äbte, manche barfuß, manche mittellos, andere zur
Buße mit Ketten gefesselt.
    Noch etwas
deutlicher, was vielleicht die Notwendigkeit des Weihrauchspektakels anging,
wird unser — auch schon bekannter — Gabriel Tetzel aus Nürnberg in seinem
Bericht aus der Mitte des 15. Jahrhunderts:
    Sant Jacobs kirchen ist eine
schone weite grosse kirchen mit köstlichen steinen säiden von steinwerk erbaut,
dann das es zu disem mal wüst darinnen stund. Es stunden pferd, kü; auch hetten
sie all haus, kocheten und lagerten darinnen.
    Bei so viel
Tohuwabohu in gleichzeitiger religiöser Verzückung kam es auch immer wieder zu
Reibereien unter Pilgern, aber vor allem auch zwischen Pilgern und
Einheimischen. Die Pilger fühlten sich — oft zu Recht — betrogen und die andern
hatten Angst, von den Pilgern würden schwere Krankheiten, vor allem die Pest,
eingeschleppt. So wurden auch innerhalb der Kathedrale immer wieder Raufhändel
ausgetragen, die manchmal sogar tödlich endeten. Mehrmals musste die Kathedrale
wieder neu geweiht werden.
    In der Casa
Manolo, wo wir schon gestern Abend saßen und wohin wir sofort nach der heutigen
Pilgermesse laufen, geht es fröhlich und friedlich zu. Wir treffen Alberto,
aber auch Al und Mike, Maurits setzt sich zu uns an den Tisch und auch der
„Mürrische“ — Wirtlein nimm dich in Acht — taucht auf. Und natürlich noch viele
andere, von denen wir die meisten schon kennen. Spanier, Franzosen, Engländer,
Brasilianer und andere vom Camino. Draußen vor der Tür wetteifern schon wieder
Regenschauer und Sonnenstrahlen miteinander, doch hier drinnen, wo man sogar dem
Koch in die Töpfe schauen kann, gibt es Wein und Weißbrot, dicke Gemüsesuppen
und grüne Bohnen, Muscheln und Tintenfische, Seehecht und in Knoblauch
geröstete Hähnchen, Tortillas und Paella. Es gibt hier aber auch viele
Geschichten, die, vom Wein beflügelt, über die Tische hinweg erzählt werden. So
ist plötzlich die Madame mit dem weißen Hündchen wieder gegenwärtig, das
verrammelte Tor in Belorado kracht nochmals auf, Don José kocht mit den jungen
Damen wieder Knoblauchsuppe, Jakobus erscheint in der Herberge zu Burgos erneut
in weiblicher Ausgabe, der elende Wirt in Boa-dilla bringt noch immer keine
Zitronenlimonade, aber Paolo tanzt in der Bar von Villalcázar unermüdlich
Flamenco und die vermeintlich tote Pilgerin in der Herberge von Sahagún reißt
nochmals ihre großen, blauen Augen auf.
    Nach
vielleicht zwei Stunden verlassen wir die Casa Manolo und bummeln über die vom
letzten Regenguss noch glänzenden Granitplatten in die berühmte Azabacheria,
eine Gasse, wo vor allem in den alten Zeiten die Azabacheros, die
Kohlenstein-Schnitzer, ihre kleinen, dunklen Figürchen, ihre Medaillons und
Reliefs aus Lignit, aus Braunkohleplatten, schnitzten, seit vielen hundert
Jahren beliebte Souvenirs für Pilger. Plötzlich aber hören wir es hinter uns
tacken, ein uns sehr vertrautes Geräusch, das immer dann entsteht, wenn die
Metallspitzen der Pilgerstöcke auf harten Stein aufschlagen. Wenige Sekunden
später fallen uns drei junge Damen, ihre Rucksäcke noch auf dem Rücken, um den
Hals: Monique, Grace und Jeanette. Unter Fußpilgern eine Geste der Freude, die
man in Santiago, in der Kathedrale und außerhalb, so oft beobachten kann. Sie
haben sich nun auch durch den galici-schen Regen gekämpft und kommen gerade in
der Jakobsstadt an. In Villafranca hatten sie zwei Ruhetage eingelegt, weil das
Städtchen so schön gewesen sei, weil es dort Don Jatos Herberge gibt und weil
noch die dicke Backe von Jeanette auskuriert werden musste. Ob wir eine
Unterkunft wissen? Aber sicher, in der Fonseca-Straße, bei der kleinen Señora
Vilar. Und dort trafen wir die Drei dann am Abend auch an.
    Am Morgen
unseres dritten Tages in Santiago wollen Heinz und ich durch die Unterstadt in
den Herradura-Park hinüber gehen, von wo aus man den schönsten Blick auf das alte
Santiago de Compostela hat. Auch heute ist das Wetter so, wie es sich für diese
Tochter des Atlantiks gehört. Der Ozean hält immer wieder seine volle Gießkanne
über die alten und mit Flechten überzogenen Granitsteine, aus denen diese Stadt
über die Jahrhunderte hin zusammengebaut, zusammengeschachtelt wurde. Kaum legt
er eine Atempause
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