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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers
Autoren: Will Berthold
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Anruf hatte ihn in Christians Mansardenwohnung erreicht, wo er Juttas Rückkehr aus der Heil- und Pflegeanstalt Siebenberge abwartete: Seine Frau mußte ihm nach München nachgereist sein und ihn in seinem Schlupfwinkel aufgespürt haben. Je früher er mit ihr die Aussprache hinter sich brächte, desto besser wäre es wohl für ihn.
    Im Konzern hatte Erik einen Vertreter ernannt und ihm Generalvollmacht erteilt, um Zeit für den Kampf um Christian zu gewinnen. Es stand schlimm. Aglaia hatte gründliche Wühlarbeit geleistet und Erik sie zu lange gewähren lassen. Es wäre sinnlos, sich jetzt Selbstvorwürfen auszusetzen. Es ging darum, die Intrigen zu zerschlagen und dabei das Problem Aglaia zu lösen.
    Er stieg aus dem Taxi.
    Der Portier riß die Tür auf.
    »Ihre Gattin erwartet Sie im Foyer, Herr Schindewolff«, sagte er.
    Erik nickte. Es sah Aglaia ähnlich, das Gefecht an einem öffentlichen Ort auszutragen. Das zwänge dazu, sich in Gestik und Mimik zurückzuhalten und leise zu sprechen. Erik bewertete es als ein gutes Vorzeichen, daß seiner Frau ein Denkfehler unterlaufen war. Seine Vorwürfe durften laut sein; jeder sollte sie hören.
    »Da bist du ja«, begrüßte ihn Aglaia.
    Sie hatte einen Eckplatz gewählt, von dem aus sie den ganzen Raum überblicken konnte. Ihr Gesicht wurde von zwei Barockspiegeln reflektiert. Ihre Rahmen waren wohl antik, aber die Spiegelschicht klar. Klar zum Gefecht.
    »Ich nehme an«, sagte Aglaia, »daß du getrunken hattest, als dir der Einfall mit dem Hausverbot gekommen ist.«
    »Betrunken oder nicht«, erwiderte er. »Es ist endgültig.«
    »Du hast mich blamiert und …« Sie sprach ruhig und bei aller Schärfe mit einer gewissen Weichheit: sie ließ ihren Willen erkennen, wieder einzulenken.
    »Du hast es verdient«, versetzte Erik.
    »Ich dachte«, antwortete Aglaia, noch immer feine Überlegenheit zeigend, »ich hätte viel mehr verdient.«
    »Weiß Gott«, sagte er und betrachtete seine Hände.
    Es waren nicht sehr viele Leute in der Halle und es hielt sich hier auch nicht die große Welt auf, eher der Mikrokosmos einer provinziellen Caféhaus-Society, aber Aglaia merkte, daß die Umsetzenden die Szene mit Genuß verfolgten.
    »Wenn es um Christian geht, bist du nicht zurechnungsfähig«, sagte sie. »Du warst es nie. Und du wirst es nie sein.« Aus der Lippenbewegung im Spiegel schloß sie, daß sei ein wenig zu schnell sprach: »Wenn es um diesen Liederjan geht, wirst du selbst liederlich.«
    »Bist du fertig?«
    »Mit Christian, ja«, erwiderte Aglaia.
    »Auch mit mir«, versetzte er. »Oder besser gesagt: ich mit dir.«
    »Was soll das heißen?«
    »Die Trennung. Die Scheidung.« Er lächelte: »Jedenfalls, bye-bye.«
    »Scheidung finde ich lustig.« Sie zeigte keine Treffer-Wirkung.
    »Vor allem, wenn man keine – juristische Begründung dafür hat.«
    »Willst du dich dagegen wehren?«
    »Mit allen Mitteln«, erwiderte Aglaia, »und es werden nicht wenige sein.«
    »In einem solchen Fall würde ich dich so lange in aller Öffentlichkeit brüskieren, bis du – sagen wir – entgegenkommender wirst.«
    »Oh«, entgegnete Aglaia und zeichnete einen vorübergehenden Versicherungs-Konsul durch ein freundliches Lächeln aus.
    »Schmutz?« Sie blies ihm Zigarettenrauch zu: »Wie sich die Gesellschaft freuen würde, und die Welt der Banken, der Versicherungen und der großen Industrie, wenn sie erführe, daß der mächtige Herr Schindewolff seit Jahren kein Mann mehr ist.«
    »Von mir aus«, entgegnete Erik, »kannst du es per Inserat im ›Börsenkurier‹ veröffentlichen.« Er merkte, daß seine Frau dabei war, die Contenance zu verlieren. »Ganzseitig.«
    »Von mir aus kannst du dich mit diesem Straßenmädchen lächerlich machen, als ständiger Begleiter, dem etwas ziemlich Spezifisches fehlt.« Aglaia vergaß, in den Spiegel zu sehen, und so hatte sie weder ihre Augen noch ihren Mund in der Gewalt. Ihr Gesicht zerfiel in ein zerbröckelndes Make-up, Falten traten hervor, der Mund wurde offen und obszön, ihre Zähne wirkten zu lang und zwischen ihnen quollen Giftschwaden hervor, die keinem Feind mehr schaden konnten.
    »Dieses billige Flittchen.« Sie lachte mit überdrehter Stimme: »Diese Fünfzig-Mark-Nutte – diese …« Man hörte es fünf Tische weit. »Weißt du, wie deine Hure aussieht?« rief sie schrill.
    Mit einem Ruck erhob sich Erik.
    Mit einem Griff hob er einen der Barockspiegel von der Wand.
    »Weißt du«, sagte er, und hielt ihr ihn vor,
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