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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Autoren: Alexander Unzicker
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sogenannten ‚Isospin‘, ‚Charm‘, ‚Bottomness‘ und etliche weitere Eigenschaften, die sie charakterisieren. Eine auch nur summarische Erläuterung der grundlegenden Begriffe würde hier mehrere Seiten füllen. Dabei äußern sich die meisten Eigenschaften nur in den subtilsten Phänomenen. Gleichwohl gilt all dies als gesicherte Erkenntnis, die in keinem Lehrbuch der Teilchenphysik ernsthaft in Frage gestellt wird.
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    Wissen häuft Fakten auf, Weisheit liegt in ihrer Vereinfachung. – Martin H. Fischer, deutsch-amerikanischer Mediziner und Autor
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    Und doch bilden diese vielgestaltigen Konzepte, genannt ‚Standardmodell‘, einen augenfälligen Kontrast zu dem Streben nach Einfachheit, mit der zum Beispiel Einstein die damals bekannten Teilchen, Proton und Elektron, als Lösungen seiner Feldgleichungen beschreiben wollte. Und der Nobelpreisträger Paul Dirac – niemand hat wohl das Elektron besser verstanden als er – wollte gar die beiden Teilchen als zwei Formen eines einzigen begreifen.
OCKHAMS FRISEURE
    Was ging in den Köpfen von Einstein und Dirac vor, als sie ihre revolutionären Theorien entwarfen? Von welchen allgemeinen Überlegungen ließen sie sich leiten? Erwin Schrödinger, der für seinen Beitrag zur Quantenmechanik 1933 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und sich später der Kosmologie zuwandte, bemerkt in seinen Erinnerungen, 5 dass Einstein seine Theorie nur entwickeln konnte, weil er von der Suche nach Einfachheit getrieben war. Tatsächlich war es Einstein gelungen, die Theorie Isaac Newtons entscheidend zu verbessern, ohne dessen wissenschaftliches Credo anzutasten: „Wahrheit findet sich, wenn überhaupt, nur in der Einfachheit, nie in der Vielgestaltigkeit und Vermischung der Dinge.“ Wie kam es, dass die nachfolgenden Generationen von Physikern fast überall zu einer so anderen, objektiv komplizierteren Sicht der Natur gekommen sind?
    In der modernen Astrophysik gibt es ebenfalls ein ‚Standardmodell‘. Demzufolge besteht der Kosmos nur zu einem geringen Teil aus sichtbarer Materie, während die überwiegende sogenannte Dunkle Materie aus hypothetischen, jedoch bislang unentdeckten Elementarteilchen bestehen soll. Noch weit mehr soll es von der theoretisch völlig ungeklärten Dunklen Energie geben. Darüber hinaus gibt es etwa ein Dutzend weitere Eigenschaften, die dem Kosmos aufgrund der inzwischen präzisen Beobachtungen zugeschrieben werden. Begriffe wie ‚Bias‘, ‚Anfangsfluktuationen‘ oder ‚skalarer spektraler Index‘ sagen dem Laien nicht viel, aber auch die Experten verstehen nicht wirklich, was sich dahinter verbirgt. Die Physiker wünschen sich diese Vielgestaltigkeit der Natur keineswegs und würden mehrheitlich gerne einem Prinzip des Philosophen Wilhelm von Ockham folgen, nach dem unter konkurrierenden Theorien immer der einfachsten der Vorzug zu geben ist. Bei der metaphorischen Formulierung „Ockhams Rasiermesser“ denkt man dabei an eine scharfe Klinge, der zu komplizierte Modelle zum Opfer fallen. In Ermangelung eines einfachen Modells beschloss die Kosmologie jedoch vor einiger Zeit, sich nicht mehr zu rasieren: Der Ausblick auf Alternativen wird inzwischen komplett verdeckt durch den Wildwuchs der dunklen Substanzen, die alle möglichen exotischen Eigenschaften haben sollen. So gelten 96 Prozent des Universums als nicht sichtbar. Und fast 100 Prozent der Kosmologen glauben daran. Aber einfach ist etwas anderes.
    Wir können Einstein, Dirac oder auch Schrödinger heute nicht mehr nach ihrer Meinung fragen – vielleicht ist ja die Forderung nach einfachen Naturbeschreibungen auch nicht mehr zeitgemäß? Soll man sich so einer naiven Hoffnung hingeben? Tatsächlich gibt es eine überwältigende Anzahl von Beobachtungen, die uns die Standardmodelle der Physik als zutreffend, ja alternativlos erscheinen lassen. So werden zum Beispiel Teilchenentdeckungen mit einer so hohen Wahrscheinlichkeit versehen, dass ein Zweifel daran fast abwegig erscheint. Können wir also mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit sagen, die Standardmodelle der Physik beschreiben das Universum richtig? Nein. Das wäre ein Denkfehler.
TODSICHER IST GAR NICHTS
    Machen wir einen kleinen Ausflug in die Statistik. Angenommen, Sie lassen eine Routineuntersuchung beim Arzt machen, die darauf hindeutet, dass Sie an einer unheilbaren Krankheit leiden. Wenn man Ihnen dann noch mitteilt, dass der durchgeführte Test in 999 von 1000 Fällen richtig diagnostiziert, wird Sie das
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