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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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Widersprüche verstrickt. Er erklärte sich viel zu früh damit einverstanden, die Wohnung zu kündigen und ab jetzt getrennte Wege zu gehen. Dabei wollte ich ihn doch leiden sehen, wenigstens ein bisschen. Keine Chance. Dafür schleppte ich die doppelte Ration Leid mit mir herum. Ich vergrub mich für eine Woche im Gästebett bei Charline, das Telefon eine Armlänge entfernt auf dem Nachtschrank. Ich hatte mindestens fünfzehn Plakate mit meinem Aufenthaltsort und der Telefonnummer hinterlassen. Er muss sie alle übersehen haben.
    Diese Trennung hat tiefe Spuren in mein Gesicht gegraben. Als ich mich wieder in der Lage fühlte, bei Tageslicht in einen Spiegel zu schauen, sah ich eine gramgebeugte Frau vor mir. Ich hatte mein Lachen verloren. Selbst Stina resignierte nach etlichen Versuchen, mir wieder Glanz in die matten Augen zu zaubern. Alles braucht seine Zeit. Zum Dank für ihre Bemühungen habe ich ihr erklärt, dass Liebe eine Seuche sei, die infizierte Menschen zugrunde richte. Die Qual sei ihr ständiger Begleiter, Schmerz ihre Lieblingsspeise, Frauen ihre bevorzugten Opfer. Während ich auf sie einschluchzte, hielt ich ihre Schultern fest umklammert und schüttelte sie auf dem Höhepunkt meiner Predigt, damit jedes meiner Worte selbst den letzten Winkel ihrer kleinen reinen Seele ausfüllte. Angst sei der einzige Schutz, resümierte ich – A-n-g-s-t, schrie ich ihr hinterher, als sie die Flucht ergriff. Ich glaube, sie wird sich mit ihrem ersten Freund Zeit lassen, so zwanzig bis dreißig Jahre. Wenn es so weit ist, lasse ich sie wissen, dass Liebe auch schön sein kann – vielleicht.
    Zurück im Alltag beauftragte ich den nächstbesten Friseur, mir einen Bob zu schneiden. Er lächelte mich wissend an, während er sich abmühte, mich jünger aussehen zu lassen – so mein Auftrag. Ich ignorierte sein unverschämtes Grinsen und entschied mich zudem, passend zu meinen Augenringen, für dunkle Strähnchen. Ich sah … anders aus … gewöhnungsbedürftig … scheußlich! Überzeugt davon, eine knackige Bräune würde das Elend abmildern, verbrannte ich mir kurz darauf siebzig Prozent meiner Haut im gegenüberliegenden Solarium. Die unversehrten dreißig Prozent waren die Haut auf meinem Bauch. Meine Handtasche lag während der Bestrahlung drauf, weil ich gehört hatte, dass in den Kabinen geklaut wird, während man auf der Bank vor sich hin döst. Wenn ich ihn so betrachte, meinen Bauch, im Sitzen, wie er entspannt auf meinen Oberschenkeln ruht, sind dreißig Prozent eine realistische Schätzung. Bis dahin hatte ich nicht gewusst, wie weh eine Halskette tun kann. Ich stand dermaßen in Flammen, dass ich befürchtete, jeden Moment finge mein Haar an zu brennen. Es dauerte drei Tage, bis ich wieder schmerzfrei zwinkern konnte. Durch mein akutes Hautfieber verwirrt kaufte ich mir eine grellgelbe Jacke, um zu Hause festzustellen: Gelb steht mir überhaupt nicht. Charline sieht darin umwerfend aus und wird sie in ihrer nächsten Schwangerschaft sicherlich auch ausfüllen. Ich habe sie ihr geschenkt, für den Fall. Zwei Wochen später meldete ich mich für einen Karatekurs an. Ich hasse Sport, aber die Aussicht, straffrei auf Männer eindreschen zu dürfen, änderte meine Einstellung zu körperlicher Ertüchtigung. Mein Leben hat sich verändert. Ich gewöhne mich langsam daran.
    Im Fall Jürgen wurde mir die Entscheidung mehr oder weniger abgenommen. Ich habe den Zeitpunkt bestimmt – immerhin. Die Folge: Ich bin pleite und einsam. In meinem Alter trifft man selten auf Singles. Und in Gesellschaft von Paaren fühle ich mich im Moment ziemlich mies, irgendwie unvollständig. Ich werde bemitleidet, und jeder, der über mich Bescheid weiß, kennt jemanden, der jemanden kennt, der für ein Date in Frage käme. Für alle Verkuppler da draußen habe ich mir einen Freund ausgedacht. Sein Name ist Steffen. Er lebt in einer anderen Stadt und ist beruflich viel im Ausland unterwegs. Das ist der Grund für seine andauernde Abwesenheit bei Einladungen für Rita und Partner. Wenn ihn die Sehnsucht packt, setzt er sich in den nächsten Flieger nach Deutschland. Wir treffen uns in Hotels und möchten natürlich für die wenigen uns bleibenden Stunden ungestört sein. Das klingt so romantisch, dass es bisher niemand hinterfragt hat. Außerdem ist diese neue Bindung für jeden ein Zeichen dafür, dass ich über Jürgen hinweg bin. Sein Name ist in meiner Gegenwart nicht mehr tabu. Ich erfahre in regelmäßigen Abständen, was
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