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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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Handelszentrum, dem Sitz der Berliner RWE-Repräsentanz, und auf deren Firmenschild schreibt Loni mit Edding ihre Meinung: »Lügen-Bande«, »Geldsammel-Zentrum« und so. Eine Empörungsschwester schaut ihr begeistert über die Schulter: »Au ja, schreib ›Raubtierkapitalismus‹, das ist gut!«
    Megaphon-Jutta fordert nun »Enteignung, Zerlegung und demokratische Kontrolle« der Könige, also der Konzerne. Wenn man sie fragt, ob Begriffe wie »Demokratie« und »Enteignung« sich in so enger Nachbarschaft gut vertragen, sagt Jutta, das gehe sehr wohl, sie habe das mit diversen Juristen besprochen. Und fragt man Jutta dann noch, ob ihr nicht kalt sei in ihren Sandalen, sagt sie, auch das gehe prima, ihre (verschiedengemusterten) Wollsocken seien warm genug.
    Als der von Rasmus dargestellte König RWE gebeten wird, noch etwas in eine Kamera zu sprechen, sagt Rasmus, nee, der Chris könne viel besser sprechen, er selbst sei mehr so der Denkertyp. Also entledigt er sich geschwind des Kostüms, Chris zieht es über und spricht Sätze mit ziemlich vielen Ähs und Irgendwies in die Kamera. Dann haut Sonne Barbara ihm auf die Krone – und als Beobachter hat man beim Weggehen so abstruse Impulse wie den dringenden Wunsch, kurz mal in die FDP einzutreten. Einfach so, als phantasievolle Gegenaktion.

[ Inhalt ]
    Die Kanzlerin telefoniert ins Weltall
    »Yes, hello …«, spricht Angela Merkel ins Mikrophon, etwas unsicher noch, man telefoniert schließlich nicht täglich mit der Besatzung eines Raumschiffs, schnell aber wird die Kanzlerin stimmfester, sagt auf Russisch und dann auch auf Deutsch: »Guten Tag!« Hinter ihr auf einer Leinwand sieht man die Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS wie zum Gruppenbild versammelt; es dauert ein bisschen länger als bei normalen Telefonaten, bis der Gruß angekommen ist, aber nun nicken die Astronauten, das Ferngespräch hat begonnen.
    Die Kanzlerin steht auf einer Bühne im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 300 Kilometer himmelaufwärts kreist die Raumstation, neuerdings durch das Forschungslabor »Columbus« bereichert. Wie es ja nicht allzu selten der Fall ist, hat die Bundesrepublik auch bei diesem »europäischen Gemeinschaftsprojekt« den Großteil der Kosten übernommen; unter anderem deshalb ist natürlich ein Deutscher mit an Bord, unser Mann im All: Hans Schlegel. Dem war Anfang der Woche die ungewohnte Umgebung etwas auf den Magen geschlagen, er erholte sich aber schnell und konnte am Mittwoch mit seinem amerikanischen Kollegen Rex Walheim hinaus ins All spazieren und einen Stickstofftank austauschen. Ein bisschen sieht es aus, als säßen die Astronauten in einem Partykeller und guckten sich gemeinsam ein Fußball-Länderspiel an, Deutschland gegen Frankreich, denn hinter ihnen an der Raumstationswand hängen deren Flaggen. Aber das sieht nur so aus, in Wahrheit ist »dort oben« (Merkel) natürlich mit der Inbetriebnahme des neuen Labors allerhand zu tun.
    Manchmal erkennt man ja mit etwas Abstand alles etwas besser, und so fragt die Kanzlerin nun Hans Schlegel, wie es unserem Planeten so gehe, von oben betrachtet, und da wird der Astronaut überraschendunwissenschaftlich, spricht von »zarten Farben« und der »Endlichkeit« unseres Planeten. Das Gespräch verläuft jetzt wie mit in jeder Hinsicht entfernten Verwandten: große Herzlichkeit, die aber etwas aneinander vorbei driftet. Wirklich nahe, in Zungennähe liegende Fragen werden höflichkeitshalber ausgespart, zum Beispiel, wie das da oben mit dem Klo funktioniert und wie und ob man da oben die Zumwinkel-Angelegenheit so sieht. Merkel sagt jetzt, dass die quality ja great sei, also listening wäre irgendwie like neighbourhood. Die Kanzlerin kommt allmählich in Fahrt, gleich werden die Männer im Saal mit einer Mischung aus Gönnerhaftigkeit und schlecht unterdrückten Unterlegenheitsempfindungen sicherheitshalber sehr lachen, denn nun thematisiert die Kanzlerin die männerseits stets gefürchtete, von ihr immer wieder herrlich zweischneidig lächelnd vorgetragene Männer-Frauen-Sache: Sie fragt die ISS-Kommandantin Peggy Whitson (auch sie: einzige Frau, trotzdem Chef), wie denn das so sei, mit lauter Männern im All. Whitson sagt, es sei wunderbar, sie hätten viel Spaß zusammen, und Schlegel pflichtet ihr bei, gemischte Teams seien immer gut. Das sagen die Merkel untergeordneten Herren ja auch immer gern, mit etwas einstudiert wirkendem Lächeln allerdings und eventuell geballter
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