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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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Denkmal zu setzen: »Poesiealbum Udo
     Lindenberg« nannte ich das so entstehende Hörbuch,es war ein
     Leichtes, die unterschiedlichsten Interpreten zum Mitmachen zu überreden, von Elke
     Heidenreich bis Harry Rowohlt, von Jeanette Biedermann bis Bryan Adams, von Wolfgang
     Joop bis Otto Sander. Niemand bekam einen Cent dafür, ich selbst zahlte ordentlich
     drauf, aber alle waren umstandslos dabei, Lindenbergs Poeme schienen nicht nur mir
     diverse Lichter aufgesteckt zu haben.
    Dass die meisten der Texte fast so alt waren wie ich
     selbst, war erst auf den zweiten Blick problematisch. Waren wir nun alle
     sentimental, oder konnte Lindenbergs Spätwerk die Qualität früherer Geniestreiche
     einfach nicht mehr übertreffen?
    3. Ganz anders
    Eigentlich bin ich ganz anders
    Ich komm’ nur viel zu selten dazu
    Lindenbergs markante Nasal-Stimme und seine
     selbsterfundene, querulatorische Sprache sind Steilvorlagen für Parodisten. Am
     lustigsten klingt es, wenn er selbst nachmacht, wie ihn jemand nachmacht. Er ist
     klug genug, auf liebevoll gemeinte Nachahmungen genauso wie auf spöttisch gedachte
     souverän zu reagieren. Heikel wurde es eigentlich nur, als er auf manchen Platten in
     den 90er Jahren klang, als imitierte er selbst diesen »Udo Lindenberg«.
    Natürlich, auf Populärmusikkonzerten will das Publikum,
     egal von welchem Künstler, vor allem Altbekanntes hören; neue Lieder werden
     geduldet, aber am liebsten hört man, was man schon kennt, die Lieder, derentwegen
     man schließlich gekommen ist, die man schon lange in Herz und Ohren trägt. Am
     besten, sie werden originalgetreu vorgetragen und dienen dem Zuhörer so als Vehikel,
     sich zu fühlen wie: damals. Für einen Künstler ist es schön, ja ist es Ziel, solche
     Hits zu haben, aber irgendwann fragt er sich, was ihn eigentlich noch unterscheidet
     von einer Jukebox.
    Udo Lindenberg hat in den letzten Jahren sehr viel gemacht,
     Ausstellungen, Tourneen, Filme, Nachwuchsförderung, dies und das – vor allem aber
     keine vollständige, vollgültige neue Platte. Als Ablenkungsmanöver nicht
     ungeschickt, all diese Verzweigungsabenteuer, aber irgendwann musste er doch mal zum
     Eigentlichen zurückkehren. Würde er das schaffen? Lange sah es nicht danach aus. Es
     war nie »ruhig um ihn«, vielleicht war das das Problem. Vor allem, wenn er mal
     wieder »ins Schleudern« kam, las man davon, aber man hätte es so viel lieber gehört – hinterher, verarbeitet in einem Lied. Am Persönlich-Menschlichen
     stark interessierte Boulevard-Zeitungen waren natürlich hin und wieder in »großer
     Sorge um Udo«, aber als Fan machte man sich vor allem Sorgen um sich selbst: Mit
     guten neuen Lindenberg-Liedern wäre doch das Leben so viel einfacher.
    »Ja, komm, hau rein das Ding«, näselt Jan Delay, der ja
     sowieso auch selbst näselt, hier aber extra lindenbergig näselt – und dann
     schmettert dieses neue Lied los, ein Duett, Lindenberg und Delay singen gemeinsam,
     und so frisch klang Lindenberg lange nicht. Tatsächlich, ein neues Lied, das bald
     schon Klassiker sein wird, ein neuer Hit – von Udo Lindenberg!
    4. Was hat die Zeit mit uns gemacht
    Auf dieser Autobahn
    Lass uns nicht weiterfahr’n
    Die letzte Ausfahrt hier
    Ey, komm, die nehmen wir
    Sommer 2006, die Arbeit an der neuen Platte läuft. Wir
     sitzen in Lindenbergs Phaeton und fahren zur Elbe, mal alles besprechen, den
     Schiffen zuwinken, in den Wind pinkeln. Er sitzt am Steuer, ich habe einen Stapel
     DIN-A4-Blätter auf dem Schoß, lese in den Textbaustellen. Aus den Lautsprechern
     dröhnen neue Kompositionen sehr unterschiedlicherArt und Qualität,
     noch ohne Gesang, die neuen Texte enthalten schon einige Juwel-Passagen, aber sie
     holpern noch, manches scheint brauchbar, wenn man noch … und falls denn …
    Noch kann alles schiefgehen.
    Lindenberg summt vor sich hin, ist noch unentschieden, mit
     wem er die Platte aufnehmen wird, wovon sie erzählen, wie sie klingen, wer sie wann
     veröffentlichen soll (beziehungsweise, wenn sie gut wird: darf). An Ideen mangelt es
     nicht, das genau ist das Problem. Lindenberg orientiert sich in Hunderten
     Gesprächen, Singversuchen und Probeaufnahmen. Als »Kumpel und Berater«, wie er uns
     um ihn Herumschwirrende einander und anderen vorstellt, darf man jetzt nicht die
     Nerven verlieren. Dass auch ich, als erklärter Ultrafan, etwas zu den Texten sagen
     darf oder soll, sogar ein paar Ideechen und Gags dazuzukritzeln gebeten werde,
    
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