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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen
Autoren: William Napier
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Senatoren in den riesigen Thermen des Caracalla plaudern oder Verschwörungen anzetteln, überm Schachbrett brüten oder durch die Läden und Gärten wandeln, die Bibliotheken und Skulpturengärten jenes dreiunddreißig Morgen großen Wasserpalastes. Denn was fangen Barbaren mit Bibliotheken und Thermen an?
    Auch werden Väter ihre Söhne nie mehr hinauf zum pinienbestanden Palatin bringen, an Domitians Domus Augusta vorbei, um ihnen die Höhle zu zeigen, wo das Ungeheuer Cacus einst hauste, oder den Feigenbaum, unter dem Romulus und Remus gesäugt wurden. Nie wieder werden eine Viertelmillion Römer im Circus Maximus johlen, wenn ein Wagenrennen stattfindet und die Gefährte um die
spina
in der Mitte der Arena rasen, oder im Kolosseum, wenn die Gladiatoren und die wilden Tiere kämpfen. Roms weitgerühmte Insula Felicula, sechzehn Stockwerke hoch, ist nur noch ein Steinhaufen, und wie lange wird es dauern, bis wieder ein derartiges Bauwunder errichtet wird, Schicht um Schicht?
    Europa ist ein Land der Blockhäuser und der Hütten im Schlamm, ein Land mit grasüberwucherten Straßen, verfallenden Aquädukten, marodierenden Banden, die grobe Spiele mit einer Handvoll Mosaiksteinen in den Ruinen verfallener Villen spielen. Das Forum, auf dem einst Cicero und Caesar sprachen, ist ein Tummelplatz für Wildkatzen. Die Rostra liegt in Stücken: Ehedem war sie mit den Schiffsschnäbeln gekaperter Schiffe verziert, aber auch mit Ciceros abgehauenem Kopf und Händen. Rom war niemals perfekt, aber wir liebten es!
    All diese Dinge werden in der neuen Welt vergessen sein. Nie wieder werden die großen mit Korn beladenen Schiffe sich ihren Weg durch die salzigen Furchen von Libyen und Ägypten her bahnen, nie wieder werden im Hafen von Ostia die Stimmen der Händler aus aller Herren Länder erschallen, die Kupfer, Zinn und silurisches Gold aus Britannien, Glas und Leder aus der Levante, Edelsteine und Gewürze aus dem fernen Ceylon mitbrachten. Nie wieder wird es diese Dinge geben, es ist aus und vorbei. Und doch stellen wir auf einmal fest, dass Rom zugleich verloren und wiedergewonnen ist. Seine Seele wurde nicht zerstört, sondern lebt wundersamerweise weiter, in anderen Körpern, anderen Formen. Rom, das war die Mutter, die im Kindbett starb – ein ganzes Jahrhundert währte die Niederkunft, ihr Sprössling war der strenge und doch sanfte Glaube von Europas neuen, barbarischen Königreichen. Jeder andere Triumph wäre viel schlimmer gewesen; genau darum kämpften und starben so viele, als sie die heidnische Dunkelheit der Hunnen abwehrten.
    Alles auf Erden muss vergehen, und nichts bleibt bestehen, obwohl es einige gibt, die sich nicht wandeln können und daher in der Zeit gefangen sind wie Insekten in Bernstein, gefangen in dem hellen, klaren und gedankenleeren Harz, noch immer einer Welt gegenüber loyal, die, ohne dass sie es bemerkt hätten, längst vergangen ist. So war es bei dem letzten und edelsten aller Römer.
    * * *
    Die Menschen ziehen weiter, über endlose Ebenen, sie straucheln über die wunde Erde, halten sich die Ohren zu, um nicht die alten Lieder von Buße und Asche hören zu müssen. Lieder von Schmerz am Grab, Junge, die vor den Alten sterben, Kinder, von ihren Eltern beerdigt, unermesslicher Schmerz über den rechten Lauf der Welt, der durch Krieg, Hungersnot und die Pest behindert wird. Eingestürzte Tempel, geborstene Türme, Staubwolken aus Ziegeldunst, Ziegel von der Farbe geronnenen Bluts, gebacken in den alten Öfen von Babylon, Ninive und Tyros.
    Dann aber gelangen sie in ein grünes Tal, die pestgebeutelten Horden, den Engel der Geschichte stets im Rücken, der sie grausam mit blitzend gezogenem Schwert unablässig bedrängt, wie Cherubim, die den Zugang zum Garten Eden verwehren. Sie werden über das schöne Tal mit den ruhig fließenden Bächen und den Weiden blicken und werden von neuem zu bauen beginnen. Wie erbärmlich! Und wie großartig.
    Schon der Stein ihrer Gebäude ist dazu verdammt zu zerfallen, ihre Behausungen sind niemals sicher, ihre Gebäude niemals vollendet, nie haben sie Ruhe vor den Unbilden des Wetters. Immer wieder stürzen ihre Bauten ein, immer wieder richten sie sie auf, niemals geben sie auf. Niemals werden sie aufhören umherzuziehen, immer auf der Suche, über endlose Ebenen, ein Sturm, der niemals abebbt. Die Menschheit selbst ist ja dieser Sturm, sie strebt nach Gott und fürchtet ihn zugleich, das erbärmlichste und zugleich herrlichste Geschöpf auf Erden.
    Nie
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