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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen
Autoren: William Napier
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König Geiserich war keineswegs sanfter geworden, seit seine drei Söhne in Gallien getötet worden waren. Bischof Leo verhandelte mit ihnen, um Leben zu retten. Als die Vandalen sich zurückzogen, ließen sie einstürzende Theater und Zirkusarenen hinter sich, der Rest der Bevölkerung irrte durch die riesigen, öden Flächen ihrer zerstörten Bäder, ihrer einst prächtigen Bibliotheken und Gerichtssäle. Man hatte ihnen alles weggenommen und sie ihrer Kleider beraubt. Dennoch drangen aus dem Petersdom noch immer Lobpreisungen Gottes. Denn was waren Schätze und Statuen im Vergleich zu menschlichem Leben? Der Herr gibt, und der Herr nimmt, predigte Bischof Leo. Gesegnet sei der Name des Herrn, unseres Gottes.
    Die Vandalen hatten nichts von ihrem Raubzug. Ein Sommersturm erhob sich, und ein Großteil von Geiserichs Flotte erlitt Schiffbruch und ging unter. Die ganzen Schätze Roms, die Hälfte der Schätze der Alten Welt liegen irgendwo zwischen Rom und Karthago auf dem Meeresgrund. In den stillen Tiefen zwischen Seegras: Diademe mit indischen Perlen, ägyptische Smaragde, Silberkelche, jener mit fünfzig Delphinen behangene kostbare Kronleuchter aus purem Gold, der einst den Lateranpalast geschmückt hatte. Vielleicht sogar die Bundeslade, die Titus vier Jahrhunderte zuvor aus Jerusalem geraubt hatte …
    Auf Valentinian folgte eine Reihe von Herrschern, die, kaum inthronisiert, sogleich ermordet wurden, jeder schwächer und unwichtiger als sein Vorgänger. Im Jahr 476 kam es zum letzten Akt des Trauerspiels.
    Der vorletzte römische Kaiser, Julius Nepos, wurde von einem alten, heimtückischen Soldaten abgesetzt, dessen Sohn Romulus Augustulus daraufhin auf den Thron kam. Viele behaupteten, der Junge sei in Wirklichkeit der Enkel des Soldaten gewesen, dieser habe jedoch gelogen, um sich als besonders potent darzustellen. Der alte Soldat muss über siebzig gewesen sein. Er war gebürtiger Grieche und hieß Orestes, und sein Sohn hatte das helle Haar von ihm geerbt. In jüngeren Jahren war er Attilas engster Gefährte gewesen. Es war unglaublich, und doch war es so. Der letzte Kaiser war Orestes’ Sohn.
     
    «Viere kämpfen um das Weltenende, Einer mit dem Reich, Ein andrer mit dem Schwert, Retten zwei sich, folgt die Wende, Mit einem Wort, mit einem Sohn.»
     
    Aëtius, Attila, Orestes und Cadoc, vier Jungen, die in den Weiten Skythiens miteinander gespielt hatten, vor langer Zeit. Es war genau so, wie in dem alten Reim vorhergesagt.
    Doch das Reich des Romulus Augustulus war ebenso kurzlebig wie das seiner Vorgänger. Lediglich zwei Monate später rebellierte Orestes’ eigener Standartenträger, Odoaker, ein Ostrogote, und ermordete Orestes. Romulus Augustulus wurde offiziell am 4. September 476 abgesetzt. Es war genau zwölf Jahrhunderte und sechs
lustra
her, seit der erste Romulus die Stadt gegründet hatte.
    Doch damit ließ es das launische Schicksal noch nicht bewenden.
    Odoaker hatte zuvor Severinus besucht, den berühmtesten Heiligen in Noricum. Der hünenhafte gotische Kriegsherr, in schwarzes Bärenfell gehüllt, musste sich tief bücken, um die Zelle des Heiligen betreten zu können.
    Der Heilige sagte zu ihm: «Ich gebe dir zweifachen Rat. Erstens, begib dich nach Rom, und du wirst König Italiens werden. Zweitens, achte beim Hinausgehen auf deinen Kopf.»
    Ich schreibe dies im Sankt-Severinus-Kloster, in dem der Heilige begraben ist.
    Odoaker erschlug den betagten Vater des letzten Kaisers, Orestes, der so starb, wie er gelebt hatte: ohne ein Wort des Widerstands oder des Protestes. Odoaker brachte es jedoch nicht über sich, den Knaben zu töten. Er war noch so klein, höchstens sechs oder sieben Jahre, hatte blonde Locken, blaue Augen und sah absurderweise aus wie ein Cherubim.
    «Was möchtest du denn, mein Kleiner?»
    Der Junge starrte zu dem vor ihm stehenden Krieger hoch und flüsterte dann: «Ich möchte Gemüse in einem Garten anbauen.»
    Odoaker ließ ihn zu einem Kloster in der Nähe von Neapolis bringen, wo sich Laienbrüder um ihn kümmerten. Er selbst verzichtete übrigens auf den kaiserlichen Purpur und das Diadem. Er verkündete schlichtweg das Ende des Römischen Reiches, kappte alle Bande und Verpflichtungen mit Konstantinopel, zog sich auf das Land zwischen Gallien, Rhaetia und Noricum zurück und erklärte sich offiziell zu König Odoaker von Italien.

EPILOG
    DIE WELT, ERST VERLOREN, DANN WIEDERGEWONNEN
     
    Und ich, der Geringste von Euch allen, Bleib allhier, zu weinen und
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