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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)
Autoren: Beate Rothmaier
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hinter der das Nichts war. Gefühl, in ein Vakuum gesogen zu werden. Ich ging in die Küche und öffnete ein Bier. Nach der dritten Flasche schob ich den Korbwagen neben mein Bett, zog mich im Dunkeln aus und sackte in einen traumlosen Schlaf. Gegen vier brabbelte mich das Kind wach. Wie elektrisiert sprang ich aus dem Bett, lief durch alle Zimmer und fand sie leer. Nachdem das Kind sein Fläschchen getrunken hatte, schliefen wir beide wieder ein. Paule würde zurückkommen. Morgen Vormittag. Unbekümmert und ein wenig fahrig würde sie reinkommen, mit einer Tüte Croissants in der Hand und der Zeitung unter dem Arm.

3
    Ein dünnes Stück Karton, blaugrünweiß bedruckt, fällt ins Dunkel eines Blechkastens, stößt auf weiße Papiere und große Umschläge, hellbraun wie die Haut junger Mädchen nach den Sommerferien. Bütten, gefaltet und in flüsternd Seidiges gesteckt, Getipptes hinter nüchternen Adressfenstern, auf das anderes, mit bunten Marken Beklebtes folgt und die Karte zudeckt. Sie wartet, mit all den aufgeweichten, dann getrockneten, mit Leim verpressten Holzfasern, in der Finsternis des Briefkastens, bis sich am Abend ein kleiner Wagen mit stotterndem Motor über die Landstraße windet, auf den Kasten zu. Das Motorengeräusch erstirbt, leises Knacken der erkaltenden Kühlerhaube, jetzt schlägt eine Tür, Schritte nähern sich, ein Klingen, als der Vierkantschlüssel eingesteckt wird, dann ein Klacken und Schieben, der Blechboden klappt nach unten, und alles stürzt vom Dunkel des Kastens in das Dunkel des Sacks, der jetzt gerüttelt, gelöst und geschlossen wird. Der Sack fliegt in den lauen Dunst aus Benzinabgasen und kaltem Zigarettenrauch, der Anlasser spuckt zweimal, bevor der Wagen weiterfährt. Die Karte Blaugrünweiß ist auf den Weg gebracht.
    LIEBE LIO. HIER LEBE ICH NUN. DAS ESSEN SCHMECKT MIR NICHT, DOCH DIE FREMDE SPRACHE LERNE ICH SCHNELL.
    GLÜCKWUNSCH ZUM GEBURTSTAG. P
    Wie einen Wasserkopf lädt das P seine Buchtung weit nach hinten aus. Das Blaugrünweiß rüttelt sich weiter in die Tiefe des Sacks, wo es in stickiger Enge liegt, bis das Auto bremst und ruckend wieder beschleunigt, sodass es noch ein wenig tiefer sinkt. Und liegen bleibt.
    Polterndes Holpern, eine Plastikwanne setzt sich in Bewegung und in ihr Blaugrünweiß und all die andere Post. Hände greifen danach und knallen das schwarz gefärbte Metall eines Stempels in eine der Ecken, es folgt der Flug in einen Rupfensack, der jetzt geworfen und gefahren wird. Kalte Frühlingsluft dringt durch das grobe Sackgewebe, er plumpst in eine Ecke, andre fallen auf ihn drauf. Pfeif- und Rangiergeräusche, das rumpelnde Schließen einer Schiebetür, das grelle Klingen des Metallriegels, ruckend setzt sich der Waggon in Bewegung. Blaugrünweiß liegt tief im Inneren, wird tausend Kilometer weit befördert.

4
    Jukebox, Tischfußball, Discokugel und ein einarmiger Bandit. Nach über einem Jahr in Zürich fragte Max mich, ob wir noch eins ziehen gehen sollten nach der Arbeit. Wir begannen in der Kneipe neben der Redaktion und soffen uns durch den Chreis Cheib, das frühere Arbeiterviertel, bis wir in einer Spelunke auf der Langstraße landeten. Drei Hells Angels in Lederkluft forderten uns heraus, und nach dem dritten Bier stimmten wir einer Partie Tischfußball zu. Ein ums andere Mal verloren wir, ein ums andere Mal mussten wir den Rockern Bier ausgeben, wobei wir uns abwechselten, bis wir beide blank waren und Max sich auf die Suche nach einem Geldautomaten machte, während ich in der Spelunke auf ihn wartete. Da stand auf einmal sie in der Tür und blickte um sich, als suchte sie jemanden. Ihre schwarzen Zöpfe glänzten wie abgerollte Lakritzschnecken und waren ebenso dünn. Sie trug ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt mit einem Loch am Ärmel und einen kurzen weißen Rock, durch dessen Stoff das Etikett mit der Waschanleitung schimmerte, direkt über dem Hintern. Dazu schwarze Stoffschuhe mit dicken Gummisohlen. Sie stellte sich an die Bar und bestellte ein Bier.
    Rugeli, Kübel, Becher. Woran man eine Arbeiterkneipe erkennen könne, fragte Max mich, nachdem er zurückgekommen war. Weitere Biergläser neben der überall erhältlichen Stange, erklärte er, ohne eine Antwort abzuwarten, und daran, dass auch aus Flaschen getrunken würde. Um ihn zum Schweigen zu bringen, ging ich zur Jukebox und suchte lange, bevor ich mich entschied. Als ich zurückkam, stand sie an unserem Tisch und fragte, wozu die ganze Gläserwirtschaft, wenn man
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