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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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das Baseballspiel weiter, und der Kommentator verkündete mit raunender Stimme, dass es zwei zu zwei stand.
    »Ryan, deine Mutter war schon immer übernervös. Aber sie hat nie Schmerzmittel gehortet, die ausgereicht hätten, sie umzubringen. Sie hat nie in einer geschlossenen Garage den Motor eines Autos angelassen.« Während er sprach, bedeckte er weiterhin die Augen mit der Hand. Vielleicht wartete er auf eine Reaktion von mir, doch ich sah ihn nur an, bis er sich schließlich räusperte, sich die Brille wieder aufsetzte und den Blick auf mich richtete. »Und sie ist nicht die Einzige, die diese Idee mit dem Fallschirmspringen beunruhigt. Ich glaube, darüber solltest du mit Dr. Briggs sprechen. Vor allem darüber, warum du das machen willst.«
    »In Ordnung.« Aus dem Fernseher kam ein Knall, gefolgt von Jubel: Base Hit. »Aber ich weiß, warum ich es machen möchte.«
    »Nämlich?«, fragte er mit gepresster Stimme, als wäre ihm ein Popcorn im Hals stecken geblieben.
    »Weil es wie Fliegen wäre.« Ich wandte mich wieder dem Fernseher zu. Kurz bevor ich auf der Fernbedienung den Ton lauter stellte, fügte ich hinzu: »Und ich werde die Reißleine ziehen, weißt du.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Nichts.« Aber ich war mir ziemlich sicher, dass er mich gehört hatte.

22
    Am Sonnabend fuhr ich zum Patterson Hospital, um Jake zu besuchen. Wir setzten uns in den Aufenthaltsraum, dessen Wände neu gestrichen worden waren. Jetzt hatten sie eine deprimierende gelbbraune Farbe, die irgendwie an Senf erinnerte.
    Jakes Handgelenke waren dick bandagiert. Während er am Klebeband pulte, stellte ich mir die Schnittwunden darunter vor, die zusammengenähte Haut, die roten Wundränder, die ihm wahrscheinlich immer noch Schmerzen bereiteten. Ich war froh, dass er noch am Leben und nicht verblutet war.
    Und ich war froh, nicht an seiner Stelle zu sein. Froh, dass meine Arme unverletzt waren und ich jederzeit aufstehen und die Klinik verlassen konnte.
    »Durch dieses neue Medikament wiegt meine Zunge mindestens zehn Pfund«, nuschelte er. »Ist sie angeschwollen?« Er streckte die Zunge heraus.
    »Nein, sieht völlig normal aus.«
    Er verzog den Mund und schluckte. Mir fiel ein, was für einen trockenen Mund ich zu Anfang immer von meinen Medikamenten bekommen hatte. »Möchtest du was trinken?«, fragte ich.
    In dem Moment kam Val ins Zimmer gestürmt. »O mein Gott, diese Wände! Das ist die hässlichste Farbe, die ich je gesehen habe!« Sie küsste Jake auf die Wange. »Wie geht’s dir?«
    »Beschissen.«
    »Ryans Mutter und meine sind unten. Ist es okay, wenn sie hochkommen, um Hallo zu sagen? Sie möchten dich gern sehen.«
    Jake zögerte.
    »Du musst nicht Ja sagen«, rief ich ihm in Erinnerung.
    »Gut«, erwiderte er. »Weil ich sie nämlich eigentlich nicht sehen möchte.«
    Val setzte sich auf die andere Seite von ihm. Da waren wir also alle drei wieder zusammen, ganz wie in alten Tagen. Bloß dass jetzt alles anders war und wir das auch wussten.
    »Ich nehme an, ich bin durchgefallen«, sagte Jake.
    »Was?«, fragte Val.
    »Wir haben doch hier alle eine Prüfung abgelegt, stimmt’s? Und ich bin der Einzige, der wieder herkommen musste.«
    »So darfst du das nicht sehen«, entgegnete Val.
    Er wandte das Gesicht von ihr ab. »Ich hätte Appetit auf einen Cheeseburger.«
    »Ich hol dir einen.« Ich stand auf, froh über die Möglichkeit, von Val wegzukommen.
    Jake lächelte mich verhalten an. »Mit allem Drum und Dran. Ich brauch was, wofür sich’s zu leben lohnt, Mann.«
    »Ist doch nur ein Cheeseburger«, sagte ich, »aber ich werd mir Mühe geben.«
    Ich verließ die Klinik und besorgte ihm einen Cheeseburger, zusammen mit Fritten und einem großen Becher Limo für seinen trockenen Mund. In der Eingangshalle wurde ich von den Müttern mit Fragen bombardiert, die ich jedoch alle abschmetterte. Da meine Mutter nicht auf der Stelle über mich herfiel, nahm ich an, dass Dr. Ishihara ihr noch nichts von meinem Besuch bei Val erzählt hatte. Wie Mom reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass Nicki mich zu den Ishiharas gefahren hatte, konnte ich mir lebhaft vorstellen.
    Als ich in den Aufenthaltsraum zurückkehrte, sah ich, dass Jake halb in Vals Schoß lag und sich an sie klammerte, während sie ihm übers Haar strich. Ich blieb stehen, um die beiden zu beobachten. Die Art und Weise, wie er sich an sie krallte, brachte mich zu dem Schluss, dass ich möglicherweise nicht der Einzige war, der sich in Val verliebt
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