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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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verließ, weiß ich nicht.«
    »Das reicht aus. Hätte Zaum ein Pferd jemals derart angetrieben, daß es in Schweiß gerät?«
    »Oh, nein! Nur, wenn er keinen Ausweg gesehen hätte.«
    »Korrekt. Also befand er sich entweder in großen Schwierigkeiten oder er hat den Pferdekarren nicht gelenkt. Dir wird auffallen, daß dies gut in unsere Theorie paßt, daß der Tod ihn überraschte und überdies das Pferd erschreckte. Nun gibt es bisher nicht genügend Beweise, die darauf hindeuten, daß wir richtig liegen, trotzdem lohnt es sich, unsere Version als reizvolle Annahme zu verbuchen, während wir nach weiteren Informationen forschen.«
    »Ich verstehe, Meister.«
    »Das sehe ich. Ausgezeichnet. Jetzt faß die Leiche an.«
    »Sie anfassen?«
    »Ja.«
    »Meister …«
    »Tu es!«
    Savn schluckte, streckte eine Hand aus und legte sie sachte auf den Arm neben sich, dann zog er sie wieder zurück. Meister Wack schnaufte verächtlich. »Faß die Haut an.«
    Er berührte Zaums Hand mit dem Zeigefinger und zuckte zurück, als habe er sich verbrannt. »Kalt!« rief er.
    »Ja, ein Körper wird kalt, wenn er tot ist. Bemerkenswert wäre gewesen, wenn er nicht kalt wäre.«
    »Aber dann –«
    »Faß ihn nochmal an.«
    Savn gehorchte. Beim zweitenmal war es leichter. Er sagte: »Es ist sehr fest.«
    »Ja. Dieser Zustand dauert mehrere Stunden an und vergeht dann allmählich. Bei der gegenwärtigen Hitze können wir sagen, daß er wenigstens vier bis fünf Stunden tot ist, jedoch nicht länger als einen halben Tag, es sei denn, er ist am Kalten Fieber gestorben, was diesen Zustand deutlich länger währen läßt. Wäre dies jedoch die Todesursache gewesen, würden sich in seinem Gesicht die Anzeichen des Unwohlseins abzeichnen, die er vor seinem Tod verspürt hätte. Nun komm, wir bewegen ihn.«
    »Bewegen ihn? Wie?«
    »Wir wollen uns seinen Rücken ansehen.«
    »Na schön.« Savn spürte Gallenflüssigkeit in der Kehle aufsteigen, als er den Leichnam anfaßte und umdrehte.
    »Wie wir vermutet haben«, sagte der Meister. »Dort ist der kleine Blutfleck am Holz und keine Delle, und du siehst das Blut an seinem Hinterkopf.«
    »Ja, Meister.«
    »Als nächstes müssen wir ihn nach Hause bringen, wo wir ihn gründlich untersuchen. Wir müssen nach Malen und Abschürfungen an seinem Körper suchen; wir müssen ihn auf die Zauberkunst testen, wir müssen uns seinen Mageninhalt anschauen, seine Därme, die Nieren und die Blase; wir müssen auf Krankheiten und Gifte testen; und –« Er brach ab, sah Savn prüfend an und lächelte. »Ist schon gut«, sagte er. »Ich sehe, deine Mäner und Päner warten auf dich. Dies soll als Unterricht ausreichen; wir lassen dir noch etwas Zeit, dich an diese Gedanken zu gewöhnen, bevor ich darauf zurückkomme.«
    »Danke, Meister.«
    »Geh nun, geh. Morgen werde ich dir berichten, was ich herausgefunden habe. Oder vielmehr, wie ich es herausgefunden habe. Du wirst zweifellos heute abend alles hören, was es zu hören gibt, wenn du wieder zu Tems Haus gehst, denn bis dahin wird es jede Menge neuen Klatsch und Tratsch geben. Oh, und reinige deine Hände gründlich und vollständig mit Sand und danach mit Wasser, denn du hast den Tod berührt, und der Tod ruft die Seinen.«
    Diese letzte Bemerkung reichte aus, um abermals den ganzen Widerwillen hervorzurufen, den Savn verspürt hatte, als er die Leiche das erstemal berührte. Er ging die Straße entlang und wischte sich die Hände bis zu den Unterarmen gründlich und ausgiebig ab, dann betrat er Tems Haus und bat ihn um Wasser zum Waschen.
    Als er fertig war, bewegte er sich langsam durch die Menge, die unverändert um den Karren stand, doch nun rief er keine Aufmerksamkeit mehr hervor. Ihm fiel auf, daß Sprecher mit gerunzelter Stirn ein wenig abseits stand, und nicht weit entfernt war Lova, von der Savn wußte, daß sie Firis Freundin war, doch Firi selbst konnte er nicht sehen. Also lief er zu seinem eigenen Karren zurück, während hinter ihm Meister Wack nach jemandem rief, der ihn und die Leiche zu seinem Haus fahren sollte.
    »Was ist denn?« fragte Polyi, als er neben sie zwischen die Vorräte auf den Sitz kletterte. »Ich meine, ich weiß, daß es eine Leiche ist, aber –«
    »Still«, sagte Mäner und zog an den Zügeln.
    Savn sagte gar nichts; er beobachtete nur alles, bis sie um eine Ecke bogen und er nichts mehr sehen konnte. Polyi bedrängte ihn unablässig, trotz der scharfen Zurechtweisungen von Mä und Pä, bis sie ihr drohten, sie
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