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Asylon

Asylon

Titel: Asylon
Autoren: Thomas Elbel
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war. Also war das Ganze vielleicht ein gut getarnter Mord,
möglicherweise unter rivalisierenden Clans, und das wiederum lag in seiner
Zuständigkeit.
    Er nahm den Boden in seiner
unmittelbaren Umgebung in Augenschein. Tatsächlich, da waren sie, kaum einen
Schritt weit neben ihm. Er hatte sie nur übersehen, weil er nicht danach
gesucht hatte. Flach, aber im Sand gut zu erkennen, führte eine Spur von
kleinen, schmalen Sohlenabdrücken geradewegs auf die Leiche zu. Seine Neugier
siegte über seine Vorsicht. Behutsam setzte er seinen Fuß direkt in die erste
Spur.
    »Boss, was tun Sie da?«
    Ein Schritt,
noch einer. Ganz langsam.
    »Ihr Assistent findet, das sieht
nicht gut aus, Masterleveller. Überhaupt nicht gut.«
    »Entspann dich, Scooter. Ich trete
in seine Spuren. Wenn er unversehrt bis dorthin gekommen ist, dann sind seine
Schuhabdrücke sicherer Boden.«
    »Schlechte Idee. Er oder sie
könnte die Schätzchen um Millimeter verfehlt haben. Zum Beispiel die PROM-1 ;
die wird durch die Witterung extrem …«
    Torn blendete Scooters
aufgeregtes Geschnatter aus und konzentrierte sich nur auf die Fußspuren. Noch fünf Meter. Noch drei. Noch zwei …
    Mist.
    Erschrocken zuckte er zusammen.
    »Was ist los, Boss?«
    »Weiß nicht. Irgend so ein
Blitzen im Sand.«
    »Oh-oh. Der Boss sollte jetzt
besser zurückgehen, damit Scooter nicht kommen muss, um seine Einzelteile aufzusammeln
und sie der Gattin vom Boss in einer kleinen Pappschachtel zu bringen.«
    »Halt einfach die Klappe,
Nervensäge, und lass verdammt noch mal meine Frau aus dem Spiel!«
    Vorsichtig beugte sich Torn über
das Blitzen. Aus der Nähe sah es aus wie ein besonders glatter, kleiner Kiesel.
Gar nicht metallisch, sondern eher bläulich, irgendwie … Eher wie … Wie Glas!
Vorsichtig pulte er das Objekt aus dem Sand. Tatsächlich handelte es sich um eine
kleine runde Scheibe aus poliertem blauem Glas, kaum größer als sein
Daumennagel. In der Mitte war ein schwarzer Fleck, umgeben von einem breiten
hellblauen Ring und dieser wiederum von einem schmaleren weißen. Es sah ein bisschen
aus wie ein Auge in Form eines schlichten Schmuckstücks. Ob es dem Toten gehört
hatte? Dann musste er es auf seinem Weg durchs Minenfeld verloren haben, bevor er von der Mine erwischt worden war. Andererseits
konnte es schon seit Jahrzehnten unentdeckt im Sand gelegen haben.
    »Sie sollten jetzt wirklich
zurückkommen, Boss!«
    »Jetzt beruhig dich endlich! Ich
hab hier was gefunden. Mir wird schon nichts passieren.«
    »Das meine ich nicht, Boss. Ich
glaube, die Konkurrenz ist da.«
    Torn stemmte sich in die Höhe und
drehte sich um. Im Gegenlicht der Sonne musste er ein Weilchen suchen, aber
dann sah er sie. Eine Staubfahne schnürte den Hang herab zu den Grenzanlagen.
Schon meinte er, das aggressive Brummen eines Motors zu hören. Rygor! Es konnte
nur Rygor sein. Nur dieser miese, kleine Angeber schaffte es noch, echten Sprit
für Autos aufzutreiben. Während er und Scooter den Weg von Thaitown auf ein
paar klapprigen Gasglidern gekommen waren, mit ihrer Ausrüstung auf den Rücken,
fuhr Rygor bequem im Wagen. Aber woher …? Seine Augen
fielen auf die Überwachungskameras an der Blendmauer. Wer
hätte gedacht, dass die Dinger noch funktionieren?
    Als sich das laute Röhren immer
mehr näherte, erkannte Torn, dass es sich nicht um ein Fahrzeug handelte, sondern
gleich um zwei tarnfarbene Offroader mit wild flackerndem Blaulicht. Ohne zu
wissen, warum, ließ Torn schnell das kleine blaue Glasding in seine Tasche gleiten.

    Ein sanftes Kitzeln
riss sie aus ihren Träumen.
    Mistviecher.
    Schlaftrunken fuhr sich Saïna mit
der Hand hinter das Ohr, um die Schabe zu verscheuchen, die ihr das Bett
streitig machen wollte. Zu ihrer Überraschung hielt sie ein paar kleine Finger
in der Hand.
    »Poosah. Was machst du hier?«
    Ein Rascheln war zu hören, als
das kleine Mädchen vom Bett rutschte. Saïna tastete nach einem Streichholz, um
die Öllampe auf der Orangenkiste neben dem Kopfende ihrer Matratze anzuzünden.
    Bald war das kleine Schlafzimmer
von unstetem Halbdämmer erfüllt, und Saïna sah vor ihrem Bett Poosahs
schmächtige Gestalt. Der flackernde Schein verstärkte den Ausdruck furchtsamer
Betroffenheit auf ihrem Gesicht. Saïnas Ärger darüber, mitten in der Nacht
geweckt zu werden, schmolz dahin.
    »Was ist denn, Kleines? Hast du
wieder von den Lichtmännern geträumt?«
    Mit ernster Entschlossenheit schüttelte
das Mädchen den Kopf. Im Licht der Öllampe
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