Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassino

Assassino

Titel: Assassino
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
niemand sagen, wir wüssten die Schätze Kroatiens nicht zu würdigen«, lächelte er und leerte es in einem Zug.
    Wie konnte man so etwas nur trinken? Langsam erlosch das Feuer in Katis Kehle. Sie schluckte ein paar Mal, bevor sie ihrer Stimme wieder traute und weiter am Gespräch teilnehmen konnte.
    Ihre neuen Bekannten waren beide gebürtige Iren. Seamus arbeitete als freier Berater für verschiedene Museen in Dubrovnik, William in der Musikbranche in Dublin. Seamus war ausgesprochen bewandert, was antike Kunstwerke anging, und nachdem Chris erklärt hatte, dass er und Kati auf der Suche nach einer etruskischen Fibel waren, befanden sie sich schnell in einem Fachgespräch über die Kultgegenstände der Etrusker. Dabei gingen sie ganz selbstverständlich vom Sie zum Du über.
    »Kann mir mal einer erklären, was eine Fibelscheibe ist?«, fragte William.
    »Fibeln sind Anstecknadeln, mit denen die Menschen in der Antike ihre Gewänder zusammenhielten«, erklärte Kati. »Manche dieser Nadeln wurden von einer kunstvoll gestalteten Scheibe verdeckt, der Fibelscheibe. Die Etrusker machten besonders viel Gebrauch davon. Für sie waren die Fibelscheiben zugleich ein Statussymbol, das auf die Bedeutung ihres Trägers hinwies.«
    »Aha.« William nickte. »Und wie kommt ihr darauf, diese Fibelscheibe ausgerechnet hier in Dubrovnik zu suchen? Wenn ich mich recht entsinne, dann lebten die Etrusker doch im heutigen Norditalien.«
    »Und was ist überhaupt so besonders daran?«, schloss sich Seamus an. »Es gibt in Museen und privaten Sammlungen doch Tausende von etruskischen Anstecknadeln.«
    »Der Legende nach soll es sich dabei um eine Fibel von Tages handeln«, erklärte Chris.
    »Potz Donner!«, rief Seamus. »Und ihr glaubt so einen Quatsch tatsächlich? Die Geschichte von Tages ist doch nur ein Märchen.«
    »Wer, bitte, ist dieser Tages?«, warf William ein.
    »Er ist so eine Art Oberguru der Etrusker gewesen«, sagte Chris. »Den Überlieferungen nach hat ihn ein Bauer bei Aquilinia aus dem Acker herausgefurcht. Tages besaß den Körper eines Kindes, aber das Aussehen eines Greises. Als man den damaligen König Tarchon herbeirief, den Gründer der ersten der zwölf etruskischen Städte, weissagte ihm Tages die Geschehnisse der kommenden tausend Jahre. Danach, soschloss er, würde es mit den Etruskern vorbei sein, und löste sich in Rauch auf.«
    »Eine sehr plausible Geschichte. Und eine absolut seriöse Grundlage für Nachforschungen«, kommentierte Seamus sarkastisch.
    Kati ärgerte seine Arroganz. »Keine Sorge, wir sind keine Spinner oder Esoteriker.« Das klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Seamus duckte sich theatralisch und hob die Hände, und Kati musste unwillkürlich grinsen. »Vor einigen Jahren«, fuhr sie fort, »wurde eine Inschrift in einem etruskischen Grab der zwölften Stadt entdeckt, der zufolge Tages bei seinem Verschwinden eine Fibelscheibe hinterließ. Sie wurde von Generation zu Generation im Geschlecht des Tarchon weitergegeben. Doch dann, nach dem Ende des etruskischen Reiches   … «
    »Übrigens exakt tausend Jahre nach Tages’Vorhersage«, ergänzte Chris.
    »   … verliert sich ihre Spur. Wir haben vorige Woche in Venedig alte Handelsbücher gewälzt, und siehe da: Genau diese Fibelscheibe hat offenbar den Weg nach Ragusa gefunden.«
    »So hieß Dubrovnik bis vor hundert Jahren«, erklärte Seamus seinem Freund.
    »Und jetzt versuchen wir, die Spur wieder aufzunehmen«, schloss Kati ihre Erklärung ab.
    »Interessant.« Seamus strich sich nachdenklich mit der Hand über den Ziegenbart. Der Kellner kam mit einem großen Tablett und stellte zwei Teller mit langen Cevapcici und Zwiebeln sowie zwei Teller mit Pommes frites vor Kati und Chris ab.
    »Dann wollen wir euch mal in Ruhe essen lassen.« Seamus und William erhoben sich. Der Kunsthistoriker drückte dem Kellner einen Geldschein für die Julischkas in die Hand und warf eine Visitenkarte auf den Tisch. »Falls ihr Hilfe benötigt, erreicht ihr mich unter dieser Telefonnummer. Oder ihr kommt am frühen Abend zum Platz hinter der Kathedrale. Da findet ihr mich immer in einem der Cafés.«
    Die beiden winkten noch einmal und verschwanden dann die Gasse hinunter. Verführt vom Duft des Fleisches vor ihr, meldete sich Katis Magen nun doch lautstark zu Wort. Sie bekam eben noch ein »Guten Appetit« heraus, bevor sie sich über das Essen hermachte.
    Als auch der letzte Happen verzehrt war, lehnte sie sich wohlig seufzend im Stuhl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher