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Assassino

Assassino

Titel: Assassino
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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du denn gekommen?«
    »Frag lieber nicht.« Kati ließ sich auf den Stuhl fallen. Sie hatte nicht vor, Chris von ihren Erlebnissen zu berichten, denn sie konnte sich seine Reaktion genau ausmalen.
    »So schlimm?«
    Kati nickte. »So schlimm.«
    Chris kannte sie gut genug, um nicht weiter nachzubohren. Sie waren jetzt seit zwei Monaten zusammen in Europa unterwegs, und er hatte gelernt, ihre Stimmungen zu respektieren. Das war auch etwas, was sie an ihm schätzte, neben seiner Intelligenz und seinem Humor.
    Er schob ihr die Speisekarte hin. »Hier soll es die besten Cevapcici der Stadt geben.«
    »Ich brauche erst mal was zu trinken.«
    Schon tauchte ein Kellner neben ihr auf. Kati bestellte eine Cola und vertiefte sich in die Karte. Sie hatte seit dem Frühstück nichts gegessen und merkte jetzt erst, wie hungrig sie war.
    Der Kellner brachte ihre Cola. Sie warf die Karte auf den Tisch. »Cevapcici«, sagte sie.
    »Cevapcici«, echote Chris.
    Der Kellner nickte und verschwand. Kati nahm einen tiefen Zug aus ihrem Glas. »Und? Hast du was rausgefunden?«
    Chris schüttelte den Kopf. »Ich habe den ganzen Nachmittag in der Bibliothek des Dominikanerklosters verbracht, und von der ersten bis zur letzten Minute hing dieser Mönch wie eine Klette an mir. Er hatte wohl Angst, ich schneide irgendwo eine Seite aus einem der alten Folianten raus.«
    Kati grinste. »Oder er mochte dich.«
    »Brrrr.« Chris schüttelte sich. »Daran will ich nicht einmal denken. Er roch ziemlich streng und war auch sonst überhaupt nicht mein Typ.«
    »Wie war er denn? Alt? Jung?«, bohrte Kati nach.
    »Hör auf!« Chris schloss in gespielter Verzweiflung die Augen. »Ich weiß nicht, warum die Kerle immer hinter mir her sind. Trage ich irgendein geheimes Zeichen oder so?«
    »Vielleicht ist es dein Gang.«
    »Mein Gang?« Er sprang auf. »Schwinge ich etwa mit den Hüften? Tänzele ich auf Zehenspitzen? Spreize ich die Hände ab?« Er unterstrich seine Worte, indem er betont schwuchtelig sprach und vor dem Tisch auf und ab marschierte.
    Kati hielt sich den Bauch vor Lachen. Das mochte sie so an Chris: Er schaffte es immer wieder, sie aus einer niedergeschlagenen Stimmung zu reißen, und war sich auch für Clownereien nicht zu schade. Die Leute an den Nebentischen drehten die Köpfe und verfolgten das Schauspiel, das sich ihnen bot.
    »Aufhören! Gnade!«, bettelte Kati lachend. Dann bemerkte sie die beiden Männer, die ein paar Tische weiter saßen und sie entgeistert anstarrten, und wurde sofort wieder ernst.
    »Setz dich«, zischte sie Chris zu und deutete mit der Hand auf seinen Stuhl. Aber er hörte sie nicht – oder wollte sie nicht hören. Kati sprang auf und packte ihn am Ärmel. »Setz dich auf der Stelle hin!«, wiederholte sie.
    Chris warf ihr einen verwunderten Blick zu, folgte aber ihrer Aufforderung.
    »Was hast du denn?«, fragte er, als sie wieder saßen. »Immer musst du die Spielverderberin geben.«
    »Ich habe dich nur davor bewahrt, noch mehr Peinlichkeiten zu begehen.«
    »Seit wann bist du denn so spießig?«, murrte er. Kati wollte gerade antworten, als sie sah, wie die zwei Männer aufstanden und auf sie zukamen.
    »Oh nein«, murmelte sie und vergrub den Kopf in ihren Händen.
    »Was ist los?« Chris begriff immer noch nichts, bis die Männer neben ihm standen. Sie waren gut gekleidet, weder alt noch jung und beide von kräftiger Statur.
    »Sie sind ein Witzbold, was?«, wandte sich der eine der beiden, der trotz der Dunkelheit eine in die Haare geschobene Sonnenbrille trug, an Chris.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken«, warf Kati ein, bevor ihr Freund reagieren konnte.
    »Ach nein? Das machte aber einen ganz anderen Eindruck«, erwiderte der zweite Mann. Er hatte einen kleinen Ziegenbart und sah wütend aus.
    Kati blickte sich Hilfe suchend um, aber die Gäste, die soeben noch gelacht hatten, beschäftigten sich mit einem Mal auffällig intensiv mit ihrem Essen oder den Speisekarten.
    »Ich wollte meine Kollegin nur ein wenig aufheitern«, verteidigte sich Chris.
    »Auf unsere Kosten«, warf ihm Ziegenbart vor. »Wir leben im 21.   Jahrhundert, mein Lieber. Ihre schalen Possen kommen hundert Jahre zu spät.«
    Kati wunderte sich, wie der Mann redete. Seine Wortwahl war ebenso angestaubt wie Chris’ Scherze.
    »Tut mir leid«, sagte Chris kleinlaut. »Ich entschuldige mich.«
    »Das ist ein bisschen zu einfach«, sagte Sonnenbrille. »Erst diskriminieren Sie uns, und dann glauben Sie, mit einem Satz wäre alles
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