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Arztromane

Arztromane

Titel: Arztromane
Autoren: Sissi Kaipurgay
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poliere gerade Gläser, als eine bekannte Stimme erklingt.
    „Ich hätte gern ein Pils“, ruft Anthony.
    Nur mit Mühe fange ich das Glas auf, das mir vor Überraschung aus den Händen geglitten ist. Ich sehe ihn an, nicke und gebe die Bestellung an Sven weiter, der einen Meter entfernt am Zapfhahn steht. Anthonys Blick ist kühl, seine Miene beherrscht. Nichts erinnert mehr an den verletzten Mann von heute Nachmittag.
    „Was machst du denn hier?“, frage ich, wobei ich mich leicht über den Tresen beuge, damit er mich hören kann.
    „Ich dachte, ich reiße mir für heute Nacht was auf, nachdem du kein Interesse hast.“
    „Weiß deine Frau davon?“ Ich kann mir diese Frage einfach nicht verkneifen.
    „Welche Frau?“ Anthony runzelt kurz die Stirn, dann fällt bei ihm der Groschen und er lacht kurz auf. „Ach, du meinst wegen dem Ring? Nein, ich bin nicht verheiratet. Der soll nur au f dringliche Patientinnen auf Abstand halten.“  
    Er hebt die Rechte um mir zu demonstrieren, dass der Ring tatsächlich weg ist. Für einen Moment bin ich sprachlos, dann steigt Wut in mir hoch. Wieso hat er mir das nicht gleich g e sagt? Sven schiebt mir das Pils zu und ich reiche es an Anthony weiter, der im Gegenzug den passenden Betrag auf den Tresen legt. Er prostet mir spöttisch zu, trinkt und dreht sich um.  
     
    Während ich seinen Rücken anstarre und weiter Gläser poliere, bildet sich in meinem Magen ein zunehmend härterer Knoten. Soll ich mich entschuldigen? Erst jetzt wird mir klar, wie meine Absage für ihn gewirkt haben muss. Sicher denkt Anthony, ich wäre ein Kerl, der sich ständig von Fremden flachlegen lässt, ohne Gefühl und nur um Spaß zu haben.
    Gerade habe ich mich dazu durchgerungen, ihm mein Verhalten zu erklären, als ein Typ auf Anthony zu schlendert und sich kurz mit ihm unterhält. Der Doktor stellt das leere Glas auf den Tresen und geht mit dem Mann nach hinten, ohne mich auch nur anzuschauen. Aus dem Knoten in meinem Bauch wird ein Eisblock.
    „Ich mach‘ für heute Feierabend“, rufe ich Sven zu, der mir sein Einverständnis nickend zu verstehen gibt.
    Mit Rosie wird er die letzten Stunden überstehen, da die Anzahl der Gäste stetig abnimmt.
     
    Ich laufe nach hinten zu den Toiletten, passiere dabei den Darkroom und werfe einen bre n nenden Blick hinein. Sofort entdecke ich Anthony, der sich gerade vorbereitet. Vor ihm steht gebückt der andere Kerl. Ich gehe weiter, bekomme aber das Bild nicht mehr aus dem Kopf, schließe mich in eine Kabine ein und lehne die Stirn an die Wand.  
    Anthonys nackter Hintern mit den muskulösen Backen, davor der schmalere des anderen. Es brennt in meiner Kehle und tut so weh, als würde mir ein Messer in die Rippen  gestoßen werden. Minutenlang harre ich aus, bis die Übelkeit nachlässt und ich mich, nachdem ich mir am Waschbecken kaltes Wasser ins Gesicht geschaufelt habe, auf den Heimweg mache.
     
    In den folgenden Tagen wird eines immer klarer: Ich bekomme den Doktor nicht aus dem Kopf. Sollte ich zu ihm gehen, mit ihm reden? Die Angst vor Zurückweisung ist riesengroß, doch allmählich überwiegt der Liebeskummer und letztendlich ist es wilde Hoffnung, die mich die Augenarztpraxis aufsuchen lässt.
     
    Es ist Freitagmittag und ich habe mir freigenommen, da ich vor Schmerz weder ein noch aus weiß. Entweder wird die Gewissheit, dass Anthony nichts für mich fühlt, den Kummer endlich ersticken oder wir haben doch eine Chance.
    Während ich im Wartezimmer sitze bin ich nicht in der Lage, in einem der Magazine zu blä t tern. Quälend langsam vergeht die Zeit, bis ich endlich aufgerufen werde.  
     
    „Herr Dillenberg“, grüßt Anthony von seinem Sessel aus und mustert mich kalt. „Was führt Sie zu mir?“
    Ich sinke auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, falte die Hände und klemme sie zwischen meine weichen Knie.
    „Ich … ich dachte, du wärest verheiratet“, stottere ich mit gesenktem Blick.
    „Deshalb kommst du her, um mir das zu sagen?“
    Ich linse rüber zu ihm, bemerke seinen verwirrten Gesichtsausdruck und nehme meinen ganzen Mut zusammen.
    „Ich wollte nicht dein Verhältnis sein. Deshalb habe ich mich so abweisend verhalten.“
    Die folgende Stille zerrt an meinen Nerven, verursacht Gänsehaut vor Anspannung und wi e der wage ich einen Blick über den Tisch. Anthony betrachtet mich nachdenklich, ernst und mit zusammengepressten Lippen.  
    „So, so. Mein Verhältnis“, murmelt er nach ewigen Sekunden. „Du traust
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