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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5
Autoren: Kristen Simmons
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flüsterte: »Bitte, sei vorsichtig.«
    Einen Moment später fiel die Tür hinter mir ins Schloss.
    Auf dem Gang war es unheimlich still. Nicht einmal das Schlurfen eines Wachmanns am anderen Ende nahe der Treppe war zu hören. Aber er war da, das wusste ich, er war nur enorm leise. Und der Soldat, der Wachdienst hatte, musste auf seiner Runde jede Sekunde hier vorbeikommen.
    Meine Nerven fraßen mich innerlich auf und brachten meine Haut zum Kribbeln. Bei jedem Schritt hatte ich das Gefühl, über ein Nagelbett zu gehen. Wahrscheinlich verlor ich einfach den Verstand. Das war die einzig sinnvolle Erklärung für meine Handlungen.
    Ehe ich irgendetwas anderes tat, ergriff ich das Klemmbrett, das vor Chases Zelle hing. Ich zerrte den Stift von dem Band, an dem er hing, und kritzelte in großen Lettern, was auf den Kontrollbögen der anderen Soldaten gestanden hatte.
    ABSCHLIESSEN .
    Ein Atemzug, um wieder zur Ruhe zu kommen, um zurück zu der emotionslosen Gelassenheit zu finden, die ich vor Chases Auftauchen erlebt hatte, und dann widmete ich mich wieder der vor mir liegenden Aufgabe.
    Mit Delilahs Schlüssel öffnete ich die Tür zum Lagerraum und rollte einen Wäschewagen auf den Gang. Eines der Räder klapperte und wackelte unstet, und ich starrte das kaputte Ding wütend an, als könnte ich es so zum Schweigen bringen.
    Gerade als ich Chases Zelle erreicht hatte, hörte ich erneut das leise Klicken von Schritten.
    Eine Lähmung befiel meinen Körper.
    Ein Wachmann mit dunkler Haut und dauerhaft finsterem Blick kam um die Ecke.
    »Guten Morgen«, sagte ich etwas zu fröhlich.
    »Was hast du hier draußen zu suchen?« Er starrte den leeren Gang hinunter.
    »Delilah … sie ist früher gekommen«, stammelte ich.
    »Wo ist sie?«
    »Putzt immer noch bei dem Selbstmord in Zelle zwei. Sie hat gesagt, ich soll hier auf sie warten.«
    »Warum hier?«
    Diverse Kraftausdrücke huschten durch mein Gehirn.
    »Weil wir den Müll wegbringen müssen«, entgegnete ich und zitierte dabei Delilah.
    Der Soldat warf einen Blick auf Chases Kontrollbogen, und seine zusammengezogenen Brauen entspannten sich wieder.
    »Schätze, der Prozess wurde abgeblasen. Passt. Er hat keinen verdient?«
    »So?« Bitte, hau ab!
    »Nein. Es gibt böse Menschen auf der Welt. Er ist einer von ihnen«, sagte er wie ein Vater, der seine Tochter über die Gefahr aufklärte, die von Fremden ausging. Derweil überlegte ich, wohin ich schießen würde, sollte ich die Waffe auf ihn richten müssen.
    »Tja«, sagte ich, um eine angstvolle Miene bemüht. »Ich mache mich besser an die Arbeit.«
    Ohne ein weiteres Wort machte er auf dem Absatz kehrt und blickte nicht einmal zurück.
    Nur dreißig Minuten bis zum nächsten Turnus.
    Meine Hände zitterten so sehr, ich bekam den Schlüssel kaum ins Schloss. Außerdem plagten mich Zweifel, doch ich schob sie beiseite, denn ich würde Chase nicht im Stich lassen.
    Ich schloss die Tür auf. Chase stand in der Zelle, und die Anspannung war trotz seines angeschwollenen Gesichts immer noch erkennbar. Ich achtete sorgfältig darauf, dass die Tür nicht ins Schloss fiel. Delilahs Wangen waren rot vor Wut.
    »Wer war das?«, flüsterte Chase.
    »Nur ein Wachmann.« Ich schob den Wagen an eine Wand. »Kletter da rein.«
    Während ich ihm den Plan erklärte, wurde seine Miene immer grimmiger.
    »Und wenn du erwischt wirst? Damit könnte ich nicht leben.«
    »Das müsstest du auch nicht lange«, konterte ich mürrisch und musterte dabei die gefesselte und geknebelte Delilah. Mein schlechtes Gewissen schlug mir auf den Magen. »Beide oder keiner.«
    Er kratzte sich am Kopf.
    »Begreifst du nicht?«, drang ich in ihn. »Wir müssen etwas tun! Damit so etwas anderen nicht mehr passieren kann!« Was so etwas war, wusste er. Es war das, was meiner Mutter zugestoßen war. Was uns zustoßen sollte.
    Er schluckte, und dann nickte er ausgesprochen zögerlich.
    Lange dachte ich nicht darüber nach. Hätte ich das getan, hätte mich das Gefühl überwältigt, dass wir schlicht keine Chance hatten.
    Ich musste Chase in den Wagen helfen. Das Bücken fiel ihm schwer, und ich nahm an, dass er ein paar gebrochene Rippen davongetragen hatte. Endlich hockte er auf dem Boden des Wagens, die Knie an die Brust gezogen, den Kopf gesenkt.
    »Wenn ich höre, dass es Schwierigkeiten gibt, werde ich nicht in Deckung bleiben.«
    Ich sagte nichts dazu und schloss den Deckel über seinem Kopf. Nun blieb mir gerade noch genug Zeit, Delilah noch einmal
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