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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5
Autoren: Kristen Simmons
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eine Heidenangst eingejagt. Ich dachte …« Er seufzte. »Egal. Du lebst.«
    Ein Geräusch auf dem Korridor brachte meine Tränen zum Versiegen.
    Kla-klick, kla-klick. Kla-klick, kla-klick.
    Der Soldat auf seinem Rundgang. Oder Delilah, die von ihrem grausigen Ausflug zurückkam.
    Wir erstarrten und lauschten den Schritten. Sie wurden lauter und hielten gleich vor Chases Zelle inne. Den Blick unverwandt auf die Tür gerichtet, hielt ich die Luft an.
    Klappern an der Außenwand. Sein Klemmbrett mit dem Kontrollbogen. Jemand wollte hereinkommen.
    Nein!
    Chase schob mich zur Seite, stemmte sich mühsam hoch und stützte sich an die Wand. Hinter ihm sprang auch ich auf und schlang die Arme um seine Brust, halb überzeugt, dass er umkippen würde, halb darauf vorbereitet, die Wachen zu zwingen, uns gewaltsam zu trennen.
    »Leg dich hin!«, flüsterte ich.
    Er hörte nicht. In diesem Moment war es hilfreich, dass er verwundet war, denn in seinem derzeitigen Zustand war er schwächer als ich. Ich stieß ihn zurück auf das Bett und drückte seinen Kopf auf die Matratze. Er sah aus, als könnte er sich jeden Moment übergeben, und irgendwo in meinem Unterbewusstsein verbuchte ich das Erbrechen als Symptom einer Gehirnerschütterung.
    Ein Schlüssel glitt in das Schloss. Drehte sich.
    »Schließ die Augen!«, sagte ich leise.
    Chase gehorchte, hatte aber die Hände zu Fäusten geballt.
    Delilah betrat die Zelle.
    »Ist er noch nicht wach?« Auf ihrer Bluse konnte ich winzige rote Punkte sehen. Ihr Kragen war feucht vom Schweiß. Ich gab mir alle Mühe, mir nicht vorzustellen, was sie in Zelle zwei vorgefunden hatte.
    »Vor einer Sekunde war er es«, sagte ich und fühlte die harten Umrisse der Waffe auf meiner Haut. »Kommen Sie, sehen Sie sich sein Gesicht an«, fügte ich hinzu und fuhr sacht mit dem Finger über eine Wunde an seiner Nasenwurzel.
    Chase regte sich kaum merklich. In Gedanken herrschte ich ihn an, er solle still sein.
    Sie tat einen weiteren Schritt voran, eine Hand immer noch an der Tür.
    »Was ist damit?«
    »Er wurde ziemlich übel geschlagen.«
    »Offensichtlich«, schnaubte sie und tat den nächsten Schritt.
    Ich sprang auf, warf die Decke ab und schubste sie weg von der Tür. Eine Sekunde später hatte ich die Waffe unter meinen Klamotten hervorgezogen und zielte auf sie, während ich die Tür bis auf einen Spalt zudrückte und sorgsam darauf achtete, dass sie nicht ins Schloss fiel.
    »Was zum Teufel machst du da?«, schrie sie.
    »Maul halten«, befahl ich und betete, dass uns niemand gehört hatte. Chase saß nun wieder und blinzelte hektisch. Er sah immer noch krank aus – und noch schockierter als Delilah.
    »Hier.« Ich drückte ihm die Waffe in die Hand. Er richtete sie auf Delilah, die ihn mit gebleckten Zähnen anstarrte. Seine Hand zitterte ein wenig, aber mir war klar, dass das keine Folge physischer Pein war. Die letzte Frau, die er mit einer Pistole bedroht hatte, war meine Mutter gewesen.
    »Tut mir leid, Delilah«, sagte ich zu ihr, als ich ihr einen sauberen Lappen in den Mund stopfte. »Aber auf mich wartet da draußen noch etwas.«
    So schnell ich konnte riss ich die übrigen, ausgefransten Lappen in Streifen und fesselte ihre Hände an den Metallbettrahmen. Sie wehrte sich nicht, und der Blick aus ihren klaren Augen klebte förmlich an Chase. Ich zog ihr die Kette mit dem Schlüssel über den Kopf und umfasste ihn fest mit der Faust. Mein Herz fühlte sich an, als wollte es mir in der Brust explodieren. Sollte es das tun, so hoffte ich, es würde mich umbringen, ehe die MM das übernehmen konnte.
    Nun half ich Chase fort vom Bett und von Delilah und verstaute die Waffe wieder in ihrem Versteck unter meiner Kleidung.
    »Mich muss es schlimmer erwischt haben, als ich dachte«, verkündete Chase so verwirrt wie jemand, der gerade aus dem Koma erwacht war. »Wie bist du hier reingekommen? Wer ist sie? Und woher hast du diese Waffe?« Er presste die Handballen an seine Schläfen.
    »Das erkläre ich dir später. Jetzt musst du erst mal hierbleiben.«
    »Ich gehe mit dir«, entgegnete er.
    Ich schüttelte den Kopf, und sofort fingen seine Kiefermuskeln zu arbeiten an.
    Kämpf nicht gegen mich, Chase.
    Mir war klar, dass er sich in diesem Moment fühlte wie ich so oft während unserer Reise. Vollkommen ausgeliefert. Vollkommen abhängig. Und vielleicht erkannte er dabei auch, wie es mir jetzt erging, denn er erhob keinen Widerspruch. Setzte sich nicht zur Wehr. Er blickte mich nur an und
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