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Arschloch!

Arschloch!

Titel: Arschloch!
Autoren: Mauricio Borinski
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Video bereits mehrfach angeguckt und sogar runtergeladen habe. Ich musste es einfach immer wieder anschauen, wie der Chefsessel in unserer Abteilung für mich freigeräumt wurde. Als sie sich erhing, konnte man das Genick brechen hören. Es hörte sich an, als würde man auf eine Küchenschabe treten. Schade nur, dass ich das nicht mehr auf den Film meines Bruders gepackt habe. Das wäre doch ein guter Abschluss gewesen.
    „Ich habe es mir angeguckt. Ist echt krass!“, sagt mein Chef.
    Dann schweigen wir für einen kurzen Moment, so als würden wir Trauer tragen. Er unterbricht die Stille nach fünf bis sechs Schweigesekunden und geht zur Tagesordnung über.
    „So. Zeit ist Geld. Wir müssen den Garten bestellen. Also ihre Beerdigung findet in der nächsten Woche statt. Ich habe im Namen der gesamten Belegschaft schon einen Blumenkranz bestellt, so einen kleinen, damit die uns nicht unterstellen, wir würden auf sie scheißen. Doch zur Beerdigung kann ich nicht gehen, weil ich im Urlaub bin.“
    „Wohin geht es?“
    „Auf die Malediven, zum Tauchen.“
    „Es ist wunderbar. Ich war dort mal mit meinen Eltern!“, sage ich, obwohl ich noch keinen Urlaub auf den Malediven verbracht habe und das alles nur aus Fernsehreportagen und Berichten meiner Mutter kenne. Und deren Wiederholungen.
    „Wie auch immer“, sagt er.
    „Ich gehe zu ihrer Beerdigung und lege den Kranz nieder.“
    „Gut, dann hat sich das erledigt. Kommen wir zum nächsten Punkt: Ich will, dass du die Abteilung führst. Die Aufgaben kennst du zum Teil schon. Du hast in den letzten Wochen und Monaten schon genug Erfahrungen gemacht.“
    „Die meisten jedenfalls! Ich durfte lange genug für sie einspringen.“
    „Genau. Du bekommst eine Gehaltserhöhung und ziehst an ihren Arbeitsplatz. Ansonsten ändert sich nichts! Bist du damit einverstanden?“
    „Klar. Ist cool!“, sage ich, stehe von meinen Sitzplatz auf und reiche ihm zum Abschluss meine Hand.
    „Du kannst dir heute noch freinehmen, aber ab morgen wird gearbeitet. Und rasier dich mal wieder.“
    „Alles klar!“ Ich gehe rüber zur Tür und als ich im Türrahmen stehe, drehe ich mich um und sage: „Danke.“
    Ich laufe runter ins Callcenter, begebe mich an meinen Arbeitsplatz, schnappe mir eine Zigarette und rufe alle Anwesenden zusammen.
    „Ich bin ab jetzt der Chef hier. Anne wird nicht mehr hier arbeiten!“
    „Wieso?“, fragt Daniela.
    „Sie hat sich umgebracht.“
    „Oh mein Gott!“, sagt sie und einen Moment später saust ihre rechte Hand an ihr hübsches Kinn.
    „Sie hat sich erhängt!“
    „Wie schrecklich!“, sagt sie und hat ganz offensichtlich all ihren Hass auf ihre ehemalige Chefin schnurstracks vergessen.
    „Der Chef hat es mir gerade eben mitgeteilt.“
    Da sich drei Kunden in der Warteschlange befinden, beende ich das Teammeeting und schicke meine Untergebenen mit einem „Los! Es gibt immer was zu tun. Es ist eure Zukunft! Ihr seid doch nicht blöd. Arbeit macht frei! Macht euer Ding! Oder gebt euch die Kugel!“ zurück an die Leitungen, setze mich an meinen Arbeitsplatz, rauche in aller Ruhe meine Zigarette zu Ende und surfe nebenher im Internet.
    Michael kommt um kurz vor vier und gleich nachdem er sich eingestempelt hat, erzähle ich ihm die Neuigkeiten des Tages. Ich zeige im sogar das Video. Er schaut es sich nicht einmal bis zum Ende an, klickt es weg und sagt: „In was für Zeiten leben wir, in denen Menschen ihren Selbstmord ins Internet stellen lassen?“
    „Jaja, wir leben in einer verrückten Zeit!“
    Sein Telefon klingelt und er muss ran, sonst hinterlässt er bei seinem neuen Abteilungsleiter gleich einen schlechten Eindruck.
    „Wir sehen uns!“, sage ich und laufe an meinen Arbeitsplatz.
    Eine Stunde später, stempele ich mich aus, verlasse das Großraumbüro und laufe runter zu meinem Wagen, der im Regen steht. Dieses scheiß Wetter hier in der lebenswertesten Stadt der Welt ist echt zum Kotzen. Wie ist bloß das Wetter in einer anderen als der besten aller möglichen Welten? Und wie viel Geld ließe sich in dieser mit Spendenpartys für Opfer von Naturkatastrophen machen? Ich steige ein, verbinde mein iPod Ach-das-ist-ja-noch-viel-toller-Nano mit meinem Autoradio, wähle Frank Sinatras Welthit >My Way<, starte den Motor, gleich danach die Scheibenwischer und verlasse den Parkplatz.
    Ich biege auf den Hansaring ein. Glücklicherweise habe ich freie Fahrt. And now, the end ist near. Ich trete aufs Gas und beschleunige meine Limousine auf
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