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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Der perfekte Dreh
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sollte der orthodoxe Jude seine Gebote über den Haufen werfen. Vergeblich hatte er im Talmud nach einer Stelle gesucht, die es ihm erlauben würde, sein ein ganzes Leben eingehaltenes Gelübde zu brechen. Vergeblich.
    Der einzige traurige Aspekt der Scheidungsregelung war der, daß Klaus das Fürsorgerecht für unser Kind erhielt. Auch verlangte er als Gegenleistung für eine schnelle Scheidung, daß es mir nicht erlaubt sein solle, Nicholas vor dessen einundzwanzigstem Geburtstag zu sehen, und man ihm nicht sagen dürfe, ich sei sein richtiger Vater. Selbst für soviel Glück schien das ein hoher Preis zu sein. Wir wußten beide, daß uns keine andere Wahl blieb, als seine Bedingungen zu akzeptieren.
    Ich fragte mich in dieser Zeit oft, wie es möglich sei, daß jeder neue Tag schöner war als der vorangegangene. Wenn ich länger als ein paar Stunden von Christina getrennt war, fehlte sie mir. Wenn die Firma mich geschäftlich über Nacht nach außerhalb schickte, rief ich sie zwei-, drei-, vielleicht viermal an, und wenn es für länger als eine Nacht war, kam sie mit. Ich erinnere mich, daß Du mir einmal Deine Liebe zu meiner Mutter beschriebst und Dich mich damals fragte, ob mir je solches Glück beschieden sein werde.
    Wir fingen an, Pläne für die Geburt unseres Kindes zu schmieden: William, falls es ein Junge sein sollte (ihre Wahl); Deborah, falls es ein Mädchen sein sollte (meine Wahl). Ich strich das Gästezimmer rosa, weil ich fest annahm, ich hätte bereits gewonnen.
    Christina mußte mich geradezu bremsen, nicht zu viele Babykleider zu kaufen, ich machte sie jedoch darauf aufmerksam, daß es nichts ausmache, da wir ja doch bald noch ein Dutzend weitere Kinder haben würde. Juden, erinnerte ich sie, glaubten an Dynastien.
    Sie ging regelmäßig zu ihren Gymnastikstunden, hielt eine sorgfältig erstellte Diät ein und machte vernünftige Ruhepausen. Ich sagte ihr, sie tue bei weitem mehr als das, was man von einer werdenden Mutter, geschweige denn von meiner kleinen Tochter, erwarten könne. Ich wollte wissen, ob ich bei der Geburt meines Kindes dabei sein könne, und ihr Gynäkologe schien erst zu zögern, gab dann jedoch seine Einwilligung. Als der neunte Monat erreicht war, hatte ich bereits ein solches Theater gemacht, daß man im Krankenhaus angenommen haben muß, daß die Vorbereitungen der Geburt eines königlichen Prinzen galten.
    Vorigen Dienstag fuhr ich Christina auf dem Weg zur Arbeit ins Frauenkrankenhaus der Universität. Obwohl ich ins Büro weiterfuhr, war es mir unmöglich, mich zu konzentrieren. Das Krankenhaus rief am Nachmittag an, um mir mitzuteilen, die Geburt werde für den frühen Abend erwartet: allem Anschein nach wollte Deborah nicht die Geschäftsstunden bei Graham, Douglas & Wilkins stören. Dennoch traf ich immer noch viel zu früh im Krankenhaus ein. Ich saß am Fußende von Christinas Bett, bis ihre Wehen in Abständen von Minuten einzusetzen begannen, und dann wurde ich, sehr zu meiner Verwunderung, gebeten, das Zimmer zu verlassen. Sie müßten einen Dammschnitt machen, erklärte mir eine der Schwestern. Ich bat, die Hebamme daran zu erinnern, daß ich bei der Geburt dabeisein wolle, um alles mitzuerleben.
    Ich ging hinaus auf den Flur und fing an, auf und ab zu gehen, wie werdende Väter es in kitschigen Filmen tun. Ungefähr eine halbe Stunde später tauchte Christinas Gynäkologe auf und grinste mich breit an. Ich bemerkte in seiner Brusttasche eine Zigarre, die offensichtlich für werdende Väter gedacht war. »Jetzt ist es gleich soweit«, war alles, was er sagte.
    Ein zweiter Arzt, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, traf ein paar Minuten später ein und betrat eilig den Raum, in dem Christina lag. Er nickte mir nur kurz zu. Ich fühlte mich wie ein Mann auf der Anklagebank, der das Urteil der Geschworenen erwartet.
    Es müssen noch mindestens weitere fünfzehn Minuten gewesen sein, bevor ich sah, wie das Aggregat von einem Team von drei jungen Assistenzärzten in rasender Fahrt den Flur entlanggerollt wurde. Sie schauten nicht einmal zu mir her, als sie mit dem Ding in Christinas Zimmer verschwanden.
    Ich hörte Schreie, denen plötzlich das klägliche Weinen eines neugeborenen Kindes folgte. Ich dankte ihrem und auch meinem Gott. Als der Arzt aus ihrem Zimmer kam, war – so erinnere ich mich – die Zigarre verschwunden.
    »Es ist ein Mädchen«, sagte er still. Ich war überglücklich. Dann brauche ich ja nicht gleich das Kinderzimmer neu zu streichen, fuhr
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