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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Der perfekte Dreh
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Zeitpunkt alles erzählt hätte, Vater, wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen. Ich tat es aber nicht, und daher bin ich auch an allem ganz allein schuld.
Ich begann Pläne für eine Hochzeit zu machen, die jedoch weder für Christinas Familie noch für Dich annehmbar gewesen wäre – uns aber war das gleichgültig. Die Liebe schert sich nicht um Eltern – und ganz bestimmt nicht um Religionsunterschiede. Als ihre Periode zum zweiten Mal ausblieb, meinte auch ich, Christina solle es ihrer Mutter sagen. Ich fragte sie damals, ob sie mich dabeihaben wolle, sie jedoch schüttelte den Kopf und erklärte, sie müsse ihnen allein gegenübertreten.
»Ich warte hier, bis du zurück bist«, versprach ich.
Sie lächelte. »Ich werde zurück sein, noch bevor du Zeit hast, es dir wegen der Heirat anders zu überlegen.«
Ich saß den ganzen Nachmittag über in meinem Zimmer in der McGill-Universität; ich las, ging auf und ab, vor allem letzteres, aber sie kam nicht, und erst als es dunkel wurde, ging ich sie suchen. Ich ging langsam zu ihrem Haus und versuchte mir auf dem Weg dorthin einzureden, es müsse eine ganz einfache Erklärung dafür geben, daß sie nicht zurückgekehrt war.
Als ich die Straße erreichte, in der sie wohnte, konnte ich in ihrem Schlafzimmer, sonst aber nirgendwo im Haus, Licht sehen. Daraus schloß ich, daß sie allein zu Hause sein mußte. Ich marschierte durch das Tor und hinauf zum Portal, klopfte an und wartete.
Ihr Vater öffnete die Tür.
»Was wollen Sie?« fragte er und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
»Ich liebe Ihre Tochter«, sagte ich zu ihm, »und ich möchte sie heiraten.«
»Sie wird niemals einen Juden heiraten«, sagte er nur und schloß die Tür. Ich erinnere mich, daß er sie nicht zuschlug; er schloß sie lediglich, was es beinahe noch schlimmer machte.
Da stand ich, draußen auf der Straße, und starrte mehr als eine Stunde lang hinauf zu ihrem Zimmer, bis dort das Licht verlöschte. Dann ging ich nach Hause. Soweit ich mich erinnere, fiel in jener Nacht ein leichter Nieselregen, und auf den Straßen traf man nur wenige Leute. Ich versuchte mir darüber klarzuwerden, was ich als nächstes tun sollte, obwohl die Situation in meinen Augen aussichtslos war. Als ich in dieser Nacht zu Bett ging, hoffte ich auf ein Wunder. Ich hatte vergessen, daß es Wunder nur für Christen gibt, nicht aber für Juden.
Bis zum nächsten Morgen hatte ich einen Plan ausgearbeitet. Ich rief um acht bei Christina zu Hause an und wollte schon fast den Hörer wieder auflegen, als ich die Stimme am anderen Ende hörte.
»Mrs. von Braumer«, sagte sie.
»Ist Christina da?« erkundigte ich mich flüsternd.
»Nein«, war die beherrschte, unpersönliche Antwort.
»Wann erwarten Sie sie zurück?« fragte ich.
»Nicht so bald«, sagte sie, und dann war die Leitung plötzlich tot.
»Nicht so bald« – das sollte mehr als ein Jahr sein, wie sich zeigte. Ich schrieb, rief an, fragte Freunde aus der Schule und der Universität, konnte jedoch nie herausbekommen, wohin sie sie gebracht hatten.
Dann kehrte sie eines Tages unangemeldet und in Begleitung eines Ehemannes und meines Kindes nach Montreal zurück. Ich erfuhr die bitteren Einzelheiten von der Quelle allen Wissens, Naomi Goldblatz, die die drei bereits gesehen hatte.
Ungefähr eine Woche darauf erhielt ich von Christina eine Nachricht, in der sie mich inständig bat, keinerlei Versuch zu machen, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Ich hatte gerade mein letztes Studienjahr an der McGillUniversität begonnen, und ganz wie irgend so ein Edelmann aus dem 18. Jahrhundert erfüllte ich ihren Wunsch aufs Wort und widmete alle meine Energien den Abschlußprüfungen. Nach wie vor beschäftigte sie meine Gedanken, und ich schätzte mich am Ende des Jahres glücklich, einen Studienplatz an der Harvard Law School angeboten bekommen zu haben.
Ich verließ Montreal am 12. September 1968, und mein Ziel war Boston.
Du mußt Dich gefragt haben, warum ich während dieser drei Jahre nie nach Hause kam. Ich wußte, daß Dir das mißfiel. Dank Mrs. Goldblatz wußte jeder, wer der Vater von Christinas Kind war, und ich dachte, eine mir selbst auferlegte längere Abwesenheit würde Dir das Leben etwas weniger schwermachen.
    Der Rabbi hielt inne und dachte daran, wie Mrs. Goldblatz ihm über alles brühwarm erzählt und hinzugefügt hatte, sie tue » lediglich ihre Pflicht « .
    » Sie sind eine alte Wichtigtuerin, die sich ständig überall einmischt « , hatte er zu ihr
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