Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arbeit und Struktur - Der Blog

Arbeit und Struktur - Der Blog

Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog
Autoren: Wolfgang Herrndorf
Vom Netzwerk:
gottlosen, unhypermethylierten Arsch, du Dreck von einem Krebs. Die Wahrscheinlichkeit war 45%. Die Folge sind ein paar Wochen oder Monate. Statistisch. Statistisch ist es aber auch so: Nach zwei Jahren wird die Kurve flach.

    The survival of patients treated with TMZ plus radiotherapy according to MGMT promoter status.

    Auf dem Rückweg von Moskopp sehe ich aus der Straßenbahn Holms Büro am Alexanderplatz. Ich steige aus, um ihn zu besuchen, kann das Bürogebäude aber nicht mehr finden.

    29.3. 2010 22:25

    Der vielleicht senilste Sack der deutschen Literatur redet eine Stunde lang über sein bevorzugtes, seit dem Ende des Judenthemas einziges Thema: wie ungerecht er um 1924 herum einmal kritisiert worden ist von der Kritik für seinen Roman “Hans” oder “Dörte”, während aufmerksame Geister doch schon auch damals und von den Übelmeinenden leider verdeckt und überschattet hinter ihm gestanden hatten wie selbstverständlich auch jederzeit sein Publikum, beispielsweise jener Studienrat aus München, von dem es folgende herzstärkende Anekdote zu erzählen gebe, wodurch in diesem ganzen Prozeß nicht zuletzt auch noch einmal der demokratische Gedanke selbst gegen die Verschwörung der Cliquen sich ausgedrückt und ihn seelisch aufgebaut und sein Tun abermals zurecht bestätigt habe usw.: Walser auf 3sat. Vielleicht sollte er zu dem Judenthema zurückkehren, das war irgendwie noch weniger anstrengend.

    30.3. 2010 13:09

    Sechs Kohlenstoff, sechs Wasserstoff, sechs Stickstoff, zwei Sauerstoff zu zwei Ringen gebogen: Temozolomid. Fünf Tabletten 1189,17 Euro. Danke, AOK. Im Ernst: Ich weiß nicht, wie das Gesundheitssystem ausgesehen hat, bevor alle anfingen, sich zu beschweren, wie sehr runtergerockt es nun sei, aber was dieses System schon in die Errettung und Erhaltung einer flackernden Kerze investiert hat, die sich um das Bruttosozialprodukt dieses Landes bisher auch noch nicht so verdient gemacht hatte: erstaunlich.

    Danke Staat, danke Gesellschaft, danke AOK, danke, danke.

    2.4. 2010 8:00

    “Du wirst sterben.”
    “Ja, aber noch nicht.”
    “Ja, aber dann.”
    “Interessiert mich nicht.”
    “Aber, aber.”

    Der Komödienstadel führt sein tägliches Stück zum Weckerklingeln auf, fünf Sekunden später beendet der Intendant die Vorstellung. Work!

    2.4. 2010 12:37

    Krebs und Reiki: Der tägliche Irrsinn der Mailingliste.

    Ich kann nicht mehr googeln, es zieht mich runter. Organspendeausweis im Portemonnaie gefunden und weggeworfen. Der genetische Schrott, der meinen Geist beherbergt, ist jetzt wertlos.

    4.4. 2010 20:00

    Prassnik. Normalität. Gut.

    5.4. 2010 17:30

    Vor zwei, drei Wochen war ich wieder bei meinem Nachbarn unten, der mich seit Jahren mit Lärm foltert und den keine Botschaft erreicht, und habe ihm die Lage erklärt und warum ich jetzt keinen Lärm mehr brauche. Bat ihn am Ende, sich eine neue Wohnung zu suchen oder Kopfhörer zu kaufen. Ein paar Tage war Ruhe, jetzt ist es wieder wie immer. Ich meine, ich muß nicht unbedingt den Diktator einer Bananenrepublik nehmen. Ich kann die Welt auch ein kleines bißchen schöner machen, indem ich mit dem Tranchiermesser ein Stockwerk tiefer gehe.

    6.4. 2010 19:02

    Es gibt wenig, was unsichtbarer wäre als Denkmäler. Aber wenn man so durch die Straßen läuft wie ich zur Zeit, fallen sie einem doch auf. Imperatorenpose, weißer Marmor, Hannoversche Straße: “Dem siegreichen Führer im Kampfe gegen Seuche und Tod” Robert Koch. Es rührt einen deutlich mehr, wenn man gerade unter einem der modernsten Linearbeschleuniger gelegen hat als wenn nicht.

    7.4. 2010 7:20

    Clinac 3 fährt nicht hoch, ein Techniker und ein Physiker sitzen ratlos vor der Maschine. Ich werde in den Keller geführt, warte vor dem Gammatron-Schaltraum und denke an den letzten Coen-Film. Wie hieß die Formelsammlung des Verrückten noch mal? Aber Clinac 2 will mich auch nicht, ich kann nach Hause gehen.

    Zwei bis drei Termine am Tag und stundenlange Wartezeiten: So kann ich nicht arbeiten. Acht Kapitel in zwölf Tagen.

    Im Projekt Regression noch mal Wackenroder gelesen: “Was soll ich aber von jenen sagen, die mir immer am verdrießlichsten gefallen sind und die meiste Langeweile erregt haben? – Die als Knaben mit unnützer Hitze und wilder Eitelkeit über Kunst und Wissen fielen und alles wie Blumen pflückten und rissen, um sich damit zu putzen; die als Jünglinge noch Knaben blieben, und sich bald mutlos dem Eigennutze, der Sorge für ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher