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Aquila

Aquila

Titel: Aquila
Autoren: Thomas Gifford
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sich den kalten Schweiß von der Stirn und blinzelte. Er hatte von Menschen gehört, die sich im Dickicht verirrten, sich zu Tode liefen, die wild und atemlos im Kreis rannten, bis sie stürzten und erfroren … Doch Panik lag nicht in seiner Natur. Er wusste, er war zehn Minuten vom Waldrand entfernt und konnte gelassen den Weg entlang seiner Fußstapfen zurückverfolgen.
    Er holte tief Luft und sah sich um.
    In dem Moment roch er zum ersten Mal den Rauch. Kam er vom Lager? Nein, es war zu weit entfernt … Er schnupperte mit geschlossenen Augen. Der Wind, der durch den Wald wehte, 11
    trug den Geruch mit sich. Als William sich umwandte, um die Richtung zu orten, blies er heftiger. Ohne Zweifel kam der Geruch aus dem Innern des Waldes. Williams Neugier erwachte wie eine nachtblütige Blume. Wer zum Kuckuck konnte das sein? Vielleicht war einer der Jungs losgezogen, hatte sich verlaufen und brauchte Hilfe. Unvorstellbar – aber auch Valley Forge war unvorstellbar. Er bewegte sich auf den Geruch zu.
    Seine Furcht von soeben war vergessen.
    Nachdem er weitere zehn Minuten langsam vorwärts gegangen war, blieb er noch einmal stehen. Der Geruch war viel intensiver geworden, und Williams Müdigkeit hatte zugenommen. Einen Augenblick lang ruhte er sich aus, dann spähte er, so scharf er konnte, in Richtung der mutmaßlichen Quelle des Geruchs.
    Zwischen den Baumreihen blitzte für einen kurzen Augenblick ein flackerndes Licht auf, winzig und fast nicht zu erkennen, aber es war ohne Zweifel da gewesen.
    William schonte seine Kräfte, sah keinen Grund zu einem Anruf. Außerdem war er noch zu weit entfernt, und der Wind hatte aufgefrischt. Er stapfte vorwärts. Seine Muskete wurde mit jedem Schritt schwerer.
    Als er näher kam, erkannte er Schatten zwischen den Bäumen, wenn kleine Windstöße das Feuer aufflackern ließen. Als er sich seinen Weg durch den Schnee bahnte, der im Wald weicher und feiner war und nicht so tief, trug ihm der scharfe Wind zu seiner Überraschung als nächstes Gesprächsfetzen zu, Stimmen, die verstummten und wiederkamen …
    Doch kein armes Schwein, das sich verlaufen hatte!
    Verschiedene Stimmen und Gelächter waren zu hören, dann drehte sich der Wind und hinterließ Stille. Aber der Feuerschein wurde heller und die Bäume spärlicher. Vor ihm lag eine Lichtung. William stapfte näher heran; er bewegte sich ganz vorsichtig, obwohl er nicht genau sagen konnte, warum.
    Noch in der Dunkelheit verborgen, blieb er schließlich am Rand der Lichtung stehen. Er sah drei – nein, vier – stattliche 12
    Männer in Mänteln, die im Schutz einer großen Hütte um ein Feuer saßen oder standen. Ihre Gesichter lagen im Schatten. Sie schienen in ein Gespräch vertieft zu sein. Während William sie beobachtete, fühlte er, wie der Schweiß seine langen Unterhosen durchtränkte. Er spürte sie nass und kalt auf der Haut, und die verfluchte Krätze juckte wie Insektenstiche. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber zweierlei war ihm klar: Er empfand unerklärliche Furcht, und es interessierte ihn brennend, wer die Männer waren …
    Alle vier hatten sich gesetzt. Einer von ihnen warf ein Holzscheit ins Feuer. Unerwartet legte sich der Wind. Die Stille brachte ihre Stimmen näher, doch William machte sich nur Sorgen um seinen eigenen Atem, der ihm ohrenbetäubend laut vorkam. Er hielt sich einen Handschuh vor den Mund und grub seine Zähne hinein, bis er glaubte, ersticken zu müssen. Er hörte die Männer reden, hörte Worte, deren Bedeutung er nicht erfasste.
    Er konnte keine Farben und Rangabzeichen an den Mänteln erkennen. Im ständig wechselnden flackernden Licht des Lagerfeuers sah auf die Entfernung alles einheitlich schwarz aus. Außerdem war es nicht nötig, ihre Mäntel zu sehen. Voller Angst, mit klopfendem Herzen, verbiss er sich heftiger in seinen Handschuh. Sie waren Engländer, darauf hätte er sein Leben verwettet. Er kannte den Tonfall. Gewiss, die Kolonialherren sprachen ähnlich, und viele waren so loyal wie er selbst; aber die echten Engländer hatten einen anderen Tonfall. Unmöglich, dass er sich irrte: In Boston hatte er sie sein Leben lang gehört.
    Er erkannte eine englische Stimme. Mindestens drei von ihnen waren Engländer, doch der vierte, eine imposante, untersetzte Gestalt, die am Feuer hockte und William den Rücken zukehrte, war nicht einzuordnen. Soweit William sagen konnte, hatte der Mann weder gesprochen noch sich bewegt, außer, um im Feuer zu stochern. Er starrte angespannt
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