Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aquila

Aquila

Titel: Aquila
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
Zufall brachte seine Hand ins Spiel, und fünfzig Jahre später hatten sich zwei besondere Ereignisse miteinander verschworen, um ihn zu einem bittersüßen Abschied nach Bukarest zurückzubringen.
    Zunächst kam die Ankündigung, dass der Kongress der Antiquare über die Weihnachtsfeiertage nach Bukarest einberufen wurde – ein Zeichen für Rumäniens angestrebte Beziehungen zum Westen. Aber er brauchte einen Vorwand für seine Teilnahme; nur die Stadt wiederzusehen, das reichte nicht für seine sparsame neuenglische Seele.
    Dann war der junge Davis in sein elegantes, überladenes kleines Geschäft gekommen, das versteckt auf dem Beacon Hill lag, buchstäblich einen Steinwurf vom State House entfernt. Bill Davis, Harvard-Student mit langem strähnigem Haar und vergoldeter Nickelbrille, kam Nat Underhills Faible für die Eleganz der Brooks-Brothers kein bisschen entgegen. Trotz seiner entsetzlich vergammelten Erscheinung trug der junge Davis ein so unglaubliches Stück Papier bei sich, dass Nat Unterhill sofort einen Stuhl und eine Tasse frisch aufgebrühten Englischen Frühstückstee brauchte.
    War es echt, wollte der Junge wissen. Gab es Mittel und Wege, das herauszufinden?
    Was das Alter des Dokuments anging, ja, das konnte man bestimmen. Die Echtheit des Inhalts – historisch gesehen – stand auf einem ganz anderen Blatt; sie fiel in den Arbeitsbereich eines erfahrenen Historikers und Schriftsachverständigen. In seinem altmodischen kleinen Büro herrschte an jenem Morgen eine Atmosphäre, die sich völlig von dem unterschied, was er in seinem Beruf bisher erlebt hatte. Er bekam eigenartiges 24
    Herzklopfen. Seine trockenen, faltigen Hände hatten gezittert, als er das Dokument berührte. Sein Mund war wie ausgedörrt. In all den Jahren, die er in Gesellschaft antiker Papiere verbracht hatte, war ihm nie etwas Ähnliches begegnet. Nie …
    Nachdem er dem Jungen eingeschärft hatte, das Juwel in einem Bankschließfach zu verwahren, sobald er es dem Professor seines Vertrauens gezeigt hatte – Colin Chandler von der Harvard-Universität war eine Kapazität auf dem Gebiet –, lehnte Nat sich in seinem quietschenden Drehstuhl zurück und sah zu, wie der spätherbstliche Wind an den Politikern zerrte, die ihre Tage damit zu verbringen schienen, vor seinem Bürofenster hin und her zu laufen und dabei die
    Angelegenheiten des Gemeinwesens zu regeln.
    Von diesem Moment an war Bukarest ein äußerst vernünftiges Reiseziel. So ein Dokument, datiert vom Winter 1778, konnte man fast nicht mit Geld aufwiegen … aber eine Zahl musste genannt werden. Schon seine pure Existenz würde ein ungeheures Interesse und unzählige Diskussionen hervorrufen.
    Dazu kam noch Nats eigene Genugtuung, die Gelegenheit, seine Karriere mit einem Schlussstein zu versehen. Unschätzbar. Sein Name als Fußnote in den Geschichtsbüchern – nein, viel mehr als das. Er lächelte. Beim Pfeiferauchen, während der Rauch seinen Kopf umwölkte, buchte er den Flug nach Basel und die Weiterfahrt mit dem Zug und reservierte ein Zimmer im Athénée-Palace in Bukarest.
    Nat hatte sich überlegt, wann er seinen spektakulären Fund präsentieren sollte: Er brauchte den passenden Rahmen für diesen Höhepunkt der Woche. Die Europäer waren nicht leicht zu beeindrucken, wenn es um historische Dokumente ging; ihre eigene Geschichte war sehr viel länger und reicher als Nat Underhills. Aber sie kannten die amerikanische Geschichte, und die Fotokopie des Dokuments, die er bei sich trug, würde sie in Erstaunen versetzen, selbst wenn es keine tausend Jahre alt war.
    So etwas aufzutreiben war der Traum all seiner Kollegen, doch 25
    meistens träumten sie ihr Leben lang vergebens. Das Dokument, als dessen Hüter er sich betrachtete, war nicht nur ein netter hieb- und stichfester historischer Beweis, nein, es veränderte die Geschichte!
    Die letzte Nacht seines Aufenthalts in Bukarest war wohl der geeignete Zeitpunkt. Er lud eine Gruppe von alten Freunden in ein warmes, dunkles, von Wohlgerüchen erfülltes
    Kellerrestaurant ein, das sich seiner Erinnerung nach seit den dreißiger Jahren nicht verändert hatte. Sie waren zu sechst, dazu kam ein junger Rumäne namens Grigorescu, der sich während der Woche bei den älteren Herren als Führer durch das neue Bukarest beliebt gemacht hatte. Grigorescu war noch unter dreißig. Er hatte ein volles blasses Gesicht und schien immer zu warm angezogen zu sein mit seinem Pullover und dem Sakko, das fast aus den Nähten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher